Erzählerin chattet mit Love Scammern
In ihrem autofiktionalen Roman „Hey guten Morgen, wie geht es dir?“ chattet die Erzählerin Juno nachts, wenn sie nicht schlafen kann, mit sogenannten Love-Scammern – Männern, die Frauen im Internet ihre Liebe gestehen und sie so um Geld bringen wollen. Juno fällt darauf nicht herein. In ihrem sonstigen Leben kümmert sich die Tänzerin und Performancekünstlerin um ihren an Multiple Sklerose erkrankten Mann Jupiter, ist viel unterwegs, besorgt und beschäftigt.
Der Kommentar von SWR Literaturkritiker Carsten Otte
Deutscher Buchpreis für Martina Hefter: Ein Roman für fast alle
In den Gesprächen mit den Männern im Internet entdeckt Juno eine neue Freiheit, sie kann sein und sagen, wer und was sie möchte. Schließlich trifft Juno auf Benu aus Nigeria. Sie durchschauen sich und ihre teilweise unwahren Behauptungen gegenseitig und es entsteht eine besondere Verbindung.
Martina Hefter wurde 1965 im Allgäu geboren und lebt heute in Leipzig, wo sie als Schriftstellerin und Performancekünstlerin arbeitet. Viele ihrer Werke bewegen sich zwischen szenischen Schreibformen, Gedicht und Roman. Auch ihr Roman „Hey guten Morgen, wie geht es dir?“ ist choreografisch angelegt.
Die Jury mit Herz für den Buchhandel
Im Grunde genommen habe sich die Entscheidung sich im Vorfeld angedeutet, sagt SWR Literaturkritiker Christoph Schröder:
„Mit der Zusammenstellung einer Longlist, die wichtige Romane des Jahres schlicht außen vor ließ, hatte die Jury des Deutschen Buchpreises sich unnötig unter Zugzwang gebracht. Die Shortlist war – wie stets, selbstverständlich – ein Kompromiss, so wie es auch die Wahl von Martina Hefters Roman ‚Hey guten Morgen, wie geht es dir?' zur 20. Gewinnerin des Deutschen Buchpreises im Jahr 2024 ist.
‚Ein Publikumspreis' sei diese Auszeichnung, sagte die sichtlich überwältigte Preisträgerin in ihrer Dankesrede. So ist es. Deswegen dürfte das als Favorit ins Rennen gegangene literarische Schwergewicht, Clemens Meyers gewaltiger Experimentalroman ‚Die Projektoren', ebenso leer ausgegangen sein wie Ronya Othmanns politisch brisanter, aber literarisch wenig durchgearbeiteter Roman ‚Vierundsiebzig'.
Schriftstellerin Anne Weber empfiehlt Hefters Roman
Hefters Roman, der von einer Tänzerin und Schriftstellerin in Deutschland erzählt, die sich tagsüber um ihren schwerkranken Mann kümmert und nachts Unterhaltungen mit so genannten Love-Scammern im Internet führt, ist von der Kritik hochgelobt worden und hat trotzdem das Zeug zum Bestseller. Die Jury hat eindeutig ein Herz für den Buchhandel gezeigt. Und das ist in einem Jahr, in dem die Alarmglocken in der Branche lauter schrillen als je zuvor, nicht die schlechteste Idee. Dafür wurde der Deutsche Buchpreis vor 20 Jahren erfunden.“
180 Romane wurden eingereicht
Im Jahr 2024 sind 180 Romane aus Deutschland, Österreich und der Schweiz ins Rennen um den Deutschen Buchpreis gegangen. Darunter waren 106 Verlage vertreten. Im August wurde die Longlist mit 20 Romanen bekannt gegeben, im September schließlich die Shortlist mit den finalen 6 Titeln.
Mit dem Deutschen Buchpreis zeichnet die Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels jährlich zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse den deutschsprachigen „Roman des Jahres“ aus.
Der Preis ist mit insgesamt 37.500 Euro dotiert: Der oder die Preisträger*in erhält 25.000 Euro, die übrigen fünf Autor*innen der Shortlist erhalten jeweils 2.500 Euro.
Eine spannende Zusammenstellung Die Shortlist des Deutschen Buchpreises 2024: Verspielt, wild, politisch
Die Jury des Deutschen Buchpreises bleibt sich treu und setzt auf Überraschungen, eine durchaus spannende Zusammenstellung – die die Versäumnisse bei der Auswahl der Longlist nicht wettmacht.
Die diesjährige Jury
Die Jury des Deutsches Buchpreis besteht aus sieben Mitgliedern, die gemeinsam entscheiden, wer den Preis erhält. Jedes Jahr wird die Jury durch die Akademie des Deutsches Buchhandels neu bestimmt. Teil der Jury sind in diesem Jahr auch zwei Mitglieder der SWR Bestenliste, Gerrit Bartels und Klaus Nüchtern.
Frühere Preisträger*innen
Im vergangenen Jahr wurde der österreichische Autor Tonio Schachinger für seinen Roman „Echtzeitalter“ mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet.
2022 erhielt Kim de l'Horizon für den Debütroman „Blutbuch“ den Preis und im Jahr zuvor Antje Rávik Strubel für ihren Roman „Blaue Frau“.