Gespräch

Schonungslos ehrlich – Katja Oskamp über ihren aktuellen Roman „Die vorletzte Frau“

Stand
Das Interview führte
Mareike Gries
Interview mit
Katja Oskamp

Katja Oskamp, 1970 geboren in Leipzig, hat als Schriftstellerin Höhen und Tiefen erlebt. Zurzeit läuft es verdammt gut bei ihr. Nach ihrem großen Erfolg „Marzahn, mon amour“ stößt sie mit ihrem aktuellen Roman „Die vorletzte Frau“ erneut auf ein starkes öffentliches Interesse. Aber nicht alle Literaturkritiker kommen mit ihrer Schonungslosigkeit und Ehrlichkeit zurecht, mit der sie von ihrer großen Lebensliebe erzählt.

„Die vorletzte Frau“ – das Ende einer großen Liebe

Katja und Tosch trennen 19 Jahre Altersunterschied, als sie ein Paar werden. Er ist ihr Lehrer am renommierten Deutschen Literaturinstitut Leipzig (DLL). Sie ist 30, eine junge Autorin und Mutter, er 49, ein prominenter Schriftsteller aus der Schweiz. 19 Jahre dauert auch ihre enge Beziehung an.

Neben ihrer starken Liebe verbindet beide ihre große Passion für die Literatur. Doch dann wird Tosch schwer krank und die Partnerschaft der beiden wird auf eine harte Probe gestellt.

Katja wird „Die vorletzte Frau“ – im Roman und im realen Leben

Nach vielen Jahren gemeinsam durchlebter Angst und Schmerzen geht die Liebe in die Brüche. Katja wird „Die vorletzte Frau“ von Tosch – im Roman wie im realen Leben. Wie Katja Oskamp diese glückliche und lebendige Liebesbeziehung, aber auch die schreckliche Krankheit von Tosch erlebt hat, beschreibt sie im Buch mit einer frappierenden Schonungslosigkeit bis ins letzte intime Detail.

Sie könne nur so und nicht anders schreiben, erzählt sie im Gespräch mit SWR Kultur. Und: Das Schonungslose oder das Intime beträfe ja nicht nur Tosch, sondern auch sie selbst.

Wenn ich einen Stoff habe, dann muss ich alles Schöne, alles Wirkliche und alles Schreckliche, Schmerzhafte mit der gleichen Intensität schildern, weil, ich will ja eine gewisse Wahrheit rausfinden. Deswegen ging das in meinem Fall nur so, entweder ganz oder gar nicht.

Die Schriftstellerin Katja Oskamp in der Karl-Marx-Allee in Berlin.
Die Schriftstellerin Katja Oskamp in der Karl-Marx-Allee in Berlin.

„Ich bediene mich schon immer voller Freude an meinem eigenen Leben“

Von Anfang an hat Katja Oskamp literarisch aus ihrer Biografie geschöpft. Was sie erlebe, was sie beschäftige, was sie nicht ‚geknackt‘ bekomme im Leben – das sei schon immer ihr Schreibstoff gewesen, erzählt sie.

Ich bediene mich schon immer voller Freude an meinem eigenen Leben. Und dass das seit einiger Zeit Autofiktion heißt, ist mir eigentlich ziemlich schnuppe, ich mach das schon immer so. Im Grunde zählt doch nur, ob einen die Geschichte erreicht.

Neben der großen Liebe zwischen Katja und Tosch ist die herausfordernde Schriftstellerexistenz ein weiteres großes Thema im Roman. Denn als Katja Tosch während seiner langen Krankheit unterstützt und begleitet und ihr eigenes Leben immer mehr in den Hintergrund tritt, erlebt sie eine große Krise - im Roman und im realen Leben.   

Das war die von mir immer so genannte Dreikomponentenkrise – da war die Geliebte nicht mehr gebraucht, die Tochter war groß und brauchte die Mutter nicht mehr - und die Schriftstellerei lag völlig auf Eis. Im Literaturbetrieb kam ich nicht mehr vor.

Begegnung mit einer völlig neuen Welt

Dieser Krise entkommt sie durch einen Zufall, den ihr das reale Leben „schenkt“. Um nicht zu lamentieren, wird sie aktiv und beginnt eine Ausbildung zur Fußpflegerin. Mehrere Jahre pflegt sie Tosch – und pflegt sie die Füße ihrer Klienten.

Während der anstrengenden Arbeit vertrauen die alten Menschen Katja Oskamp sehr persönliche Lebensgeschichten an. Später schreibt sie diese auf und macht aus dem Stoff ein Buch: „Marzahn, mon amour. Geschichten einer Fußpflegerin“. Es wird ein Bestseller.

Berlin

Leben Eine Fußpflegerin in Marzahn - Katja Oskamp erzählt Geschichten von unten

Die Schriftstellerin Katja Oskamp beschloss 2015, eine Ausbildung zur Fußpflegerin zu machen. Nun hat sie über ihre Klienten ein Buch geschrieben. Nadja Odeh war bei der Fußpflege dabei. (SWR 2019)

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Gebrechen und schöne Körper interessieren sie gleichermaßen

Katja Oskamp kennt keine körperlichen Berührungsängste – Gebrechen und schöne Körper, beides interessiere sie gleichermaßen, sagt sie. Ekel hätte sie vielmehr empfunden, wenn sie als Fußpflegerin von oben herab behandelt worden sei.

„Ich habe mich nie vor den Füßen anderer Leute oder vor alter Haut geekelt“, sagt sie – „es hat mich viel mehr eine gewisse Arroganz angewidert – das fand ich dann wirklich eklig.“

„Matze als literarische Figur? Super Idee!“

Es scheint, als habe Katja Oskamp uns noch viele Geschichten zu erzählen aus ihrem Leben und ihrer Gedankenwelt. Eine spannende Figur wäre da zum Beispiel Matze, der am Ende von „Die vorletzte Frau“ eine kleine, aber bedeutende Rolle spielt. Eher eine Kneipenexistenz und das Gegenteil eines Intellektuellen und Schriftstellers. Wäre das nicht ein reizvoller neuer „Stoff“ für Ihr nächstes Buch, Katja Oskamp?

Das freut mich jetzt wirklich, dass Sie mich das fragen. Das hat nämlich noch nie jemand zur Sprache gebracht. Matze als Figur. Super Idee! Ich weiß es noch nicht, ich kann nichts versprechen – aber es könnte passieren, dass Matze nochmal vorkommen muss.

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