Vincenzo Ceramis Debütroman „Ein ganz normaler Bürger“ aus dem Jahr 1976 erzählt die Geschichte von Giovanni Vivaldi, eines kleinen Beamten in einem römischen Ministerium.
Das Glutnest, aus dem in „Ein ganz normaler Bürger“ ein regelrechter Flächenbrand wird, hat einen Namen. Er lautet Aufstiegswille:
So spricht der kurz vor der Rente stehende Giovanni Vivaldi mit seinem Sohn Mario, der im Rom der 1970erJahre im gleichen Ministerium wie sein Vater eine Prüfung vor sich hat. Sie soll Mario für eine höhere Beamtenlaufbahn qualifizieren und ihm damit den sozialen Aufstieg und das Entkommen aus der kleinbürgerlichen Enge seiner Verhältnisse ermöglichen.
Damit Mario der Aufstieg gelingt, legt sich Giovanni mächtig ins Zeug, konkurrieren schließlich 12.000 Bewerber um 2.000 Plätze. Er tritt auf Einladung seines Vorgesetzten, Dottor Spaziani, der Freimauerloge bei und macht sich dort erst einmal lächerlich. Doch durch diese Mitgliedschaft gelingt es ihm, sich die Fragen und Antworten für die Prüfung seines Sohnes schon vorab zu erschleichen:
Ein verzweifelter Kriecher
Man könnte Giovanni einen Kriecher nennen. Oder einen Verzweifelten. Der Aufstieg des Sohnes scheint aber beschlossene Sache zu sein. Doch am Tag der Prüfung geschieht ein Unglück. Vater und Sohn durchqueren eine Straße, in der ein Raubüberfall stattfindet:
Von diesem Moment an, so stellt Ceramis atmosphärischer dichter Roman es dar, ist Giovannis Schicksal endgültig besiegelt. Es geht unerbittlich nur noch in eine Richtung: bergab.
Die Enge der Verhältnisse
Indem Cerami die Handlung einbettet in die bleierne Atmosphäre im Rom der 1970er-Jahre, an der sich auch Pier Paolo Pasolini abarbeitete, gewinnt das traurige Schicksal Giovannis parabelhafte Züge. Durch die bildhafte Sprache hinterlässt „Ein ganz normaler Bürger“ einen tiefen Leseeindruck.
Schilderungen wie diese von Giovannis und Marios Rückkehr von einer Angeltour am Rand der Stadt sind typisch für Ceramis Roman, der in seiner Klarheit und Genauigkeit von den ersten Seiten an so packend ist, dass man ihn kaum zur Seite legen, dass man erfahren möchte, welch traurigen Weg dieser ganz normale Bürger, eingezwängt in die Enge der Verhältnisse, gehen muss.
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