Vom 11. bis 15. November findet die 37. Tübinger Poetik-Dozentur statt, eine Veranstaltungsreihe mit herausragenden Autorinnen und Autoren. Neben Nora Bossong und David Schalko hält dieses Jahre der Schriftsteller Daniel Kehlmann mehrere Vorträge.
In seinem jüngsten Roman „Lichtspiel“ folgt Kehlmann den Spuren des österreichischen Filmregisseurs W.G. Pabst, der seine Arbeit in die Dienste des NS-Systems stellt. Wie sich Fakten und Fiktion im Werk verbinden, das ist eines der Themen in Kehlmanns Vortrag.
Wie sprachen historische Persönlichkeiten?
Daniel Kehlmann spricht in Tübingen auch über Tonfälle und Stimmen. Während seiner Arbeit an der Filmserie über Franz Kafka versuchte er, anhand der literarischen Quellen auf Kafkas Stimme zu schließen.
Noch größer war der Abstand zum Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges, in dem sein Roman „Tyll“ spielt. Kehlmann versuchte, Metaphern und Begriffe aus der heutigen Zeit zu vermeiden. Dennoch bekam der Roman einen Gegenwartsbezug durch die geschichtlichen Ereignisse unserer Zeit.
Aktualität holt historischen Stoff ein
Kehlmann wollte es vermeiden, einen Aktualitätsbezug zu konstruieren - er geschah von allein: „Ich musste im Roman darüber schreiben, dass nach der großen Schlacht von Zusmarshausen die deutschen Städte ihre Pforten gegen Flüchtlinge geschlossen haben. Und ich hatte das Gefühl, wenn ich darüber schreibe, wirkt es sofort so, als wollte ich über die Gegenwart schreiben. Aber ich kann es auch nicht weglassen.“
Kehlmann möchte nicht über historische Stoffe schreiben, um die Gegenwart zu kommentieren.
Blick auf Donald Trump und die aktuelle Geschichte
Die Ereignisse um die Wiederwahl Donald Trumps bewegen den Schriftsteller. „Wir leben in einem historisch sehr aufgeladenen Moment und wir starren auf Amerika, auf eine faschistische Massenbewegung und sagen, ja hier erleben wir leider auch Geschichte“, so Kehlmann.
Die Vorträge der 37. Tübinger Poetik-Dozentur werden auf Youtube live übertragen:
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Buchkritik Daniel Kehlmann – Lichtspiel
Mit „Lichtspiel“ legt Daniel Kehlmann nicht nur ein Portrait des legendären Filmregisseurs Georg Wilhelm Pabst vor, sondern auch eine Parabel über die künstlerische Arbeit innerhalb eines totalitären Regimes. Einige starke, nämlich wild-groteske Szenen im Zentrum des nationalsozialistischen Machtapparates überzeugen, doch die biografische Fiktion enttäuscht insgesamt. Viele Pointen sind vorhersehbar, die größtenteils biedere Prosa entwickelt sich zur Nummernrevue. Selbst Pabst war unter widrigen Bedingungen experimentierfreudiger als der Schriftsteller Kehlmann.
Rezension von Carsten Otte.
Rowohlt Verlag, 480 Seiten, 26 Euro
ISBN 978-3-498-00387-6