Gespräch

„Das ist die Mcdonaldisierung der Literatur"

Stand
Das Interview führte
Theresa Hübner
Interview mit
Thomas Montasser

Die künstliche Intelligenz „Demandsens“ kann Bestseller voraussagen, noch bevor ein Buch überhaupt produziert wird. Was bedeutet das für den Literaturbetrieb?

Wäre es für Verlage nicht rentabel, wenn man vor dem Druck eines Buches absehen könnte, wie erfolgreich es wird? Ab Ende des Jahres steht der Verlagswelt eine künstliche Intelligenz zur Verfügung, die genau das kann: Eine Art Bestseller-Orakel, das mithilfe eines Algorithmus vorhersagt, welche Bücher zu Verkaufsschlagern werden. Ob das ein Fluch oder ein Segen für die Literaturbranche ist, darum geht's im Gespräch mit Thomas Montasser, Literaturagent aus München.

Algorithmus bezieht sich auf Vergangenheit

Die Firma Media Control, die das Programm "Demandsens" entwickelt hat, verspreche den Verlagen eine 85-prozentige Prognose-Sicherheit darüber, ob ein Buch ein Bestseller werde oder nicht, sagt Literaturagent Thomas Montasser. Allerdings:

'Demandsens' kennt nur den literarischen Massengeschmack. Wenn wir nicht aufpassen, gibt es bald nur noch Einheitsbrei und alles, was neu ist, findet nicht mehr statt.

Der Algorithmus von "Demandsens" basiere sich in seiner Prognose aber lediglich auf Trends der Vergangenheit. Unvorhersehbares, wie etwa die Vergabe eines Literarturpreises, woraufhin Werke in manchen Fällen zu Bestsellern werden, könne das Programm in seine Berechnungen nicht einbeziehen, erklärt Montasser.

Künstliche Intelligenz kann als Ansporn dienen

Ihm zufolge könne künstliche Intelligenz aber auch Positives für die Buchbranche bewirken:

Ich bin selbst nicht nur Agent, sondern auch Autor. Wenn ich heute einen Text schreibe, dann überlege ich mir am Ende regelmäßig: 'Hätte das auch eine KI schreiben können?' Und wenn ich zu dem Ergebnis komme: 'Ja, möglicherweise schon.' Dann muss ich den Text löschen, denn dann genügt er meinen eignen Ansprüchen nicht. Die KI hält uns den Spiegel vor. Wir müssen besser als die KI bleiben, denn sonst hat der Mensch keine Chance.

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