20 Romane hat die Jury für den Deutschen Buchpreis 2024 nominiert. Seit Ausschreibungsbeginn hat sie 197 Titel gesichtet, die zwischen Oktober 2023 und dem 17. September 2024 (Bekanntgabe der Shortlist) erschienen sind oder noch erscheinen. In diesem Jahr wird der Deutsche Buchpreis am 14. Oktober in Frankfurt verliehen.
Kommentar von SWR Literaturchef Frank Hertweck zur Longlist:
Etwa 13.500 Seiten Literatur – so viele umfasst die Longlist zum Deutschen Buchpreis, die am 20. August 2024 veröffentlich wurde. Gut, 1050 hat schon Clemens Meyer mit seinem rauschhaften Karl-May-Roman geliefert. In Leipzig freut man sich, vier Autorinnen leben dort – Daniela Krien, Martina Hefter, Ronya Othmann, Ruth-Maria Thomas und eben Clemens Meyer.
Bei den Verlagen gibt es wenig Überraschungen, die großen sind dabei und einigermaßen gleichwertig vertreten. Dazu schon preiserfahren: der Droschl Verlag aus Österreich und der Geparden Verlag, sozusagen ein Debütant, gerade erst 2023 gegründet.
Was gibt die Statistik noch her? Dreizehn Frauen sind nominiert, sieben Männer. Erwartbare Autoren und Autorinnen? Auf jeden Fall Nora Bossong mit ihrem Roman über Magda Goebels – perfektes Preisthema, wenn sich die Autorin nicht mit der Erzählperspektive ein Bein gestellt hätte. Der Erzähler ist nämlich ein früherer Liebhaber von Magda genau in der Zeit, in der sie noch nicht Frau Goebbels war und die Mutter der NS-Nation.
An Clemens Meyer kommt keine Jury vorbei
Dann Timon Karl Kaleytas Selbstsucheroman „Heilung“: viel gelobt, aber doch mit der erzählerischen Schwäche, dass der Autor, wenn es langweilig wird, einfach eine neue Person auftreten lässt wie im Volkstheater.
Michael Köhlmeier ist dabei, den man, hoffentlich nimmt er es nicht krumm, im besten Sinne einen Altmeister nennen kann. Sein Roman heißt „Das Philosophenschiff“ und erzählt die Geschichte einer Flucht aus dem bolschewistischen Russland mit einem überraschenden Passagier, Lenin selbst. Daniela Krien ist ebenfalls nominiert, Verkäuflichkeit ist beim „Deutschen Buchpreis“ ja kein Makel.
An Clemens Meyer kommt keine Jury vorbei. Ebenfalls auf der Longlist: Ronya Othmann mit ihrem literarischen Mahnmal über den IS-Genozid an den Jesiden im Jahr 2014, dann Mithu Sanyal mit dem Roman „Antichristie“, bei dem schon die Zusammenfassung lustiger klingt als die Sprachpolizei erlaubt.
Es gibt weniger Debüts als im letzten Jahr, und einige der etablierten Autorinnen und Autoren fehlen, vielleicht weil ihre Werke von den Verlage gar nicht immer eingereicht wurden? Bei 197 Titeln und knapp über 100 Verlagen sind es ja nicht einmal zwei pro Verlag. Also eine Liste unter Vorbehalt.
Michael Lentz, Reinhard Kaiser-Mühlecker, Ulrich Peltzer, Katja Lange-Müller, David Wagner, Ulrike Draesner. Die ebenfalls auffällig nicht berücksichtigten Arno Geiger und Anne Weber haben den Buchpreis schon einmal gewonnen. Also wie auch immer: Der Preisträger wird ein Neuer sein.
Frank Hertweck, SWR Literaturchef, über die Longlist des Deutschen Buchpreises
Die Begründung der Jury
„Dazu gehören autofiktionale Texte, die mit Momenten surrealer Freiheit überraschen; ungeschönte Erzählungen von Einsamkeit, Gewalt und Verlust, die zugleich poetische Selbstvergewisserungen sind; historischpolitische Romane, die das aufziehende Dunkel der Diktatur auch für die Gegenwart ausleuchten oder uns in wenig bekannte Winkel der Weltgeschichte wie in Spiegelkabinette entführen. Auch Texte, die das Erzählen selbst hinterfragen, die Möglichkeiten einer eigenen Sprache zwischen digitalen Textbausteinen, haben uns fasziniert. Wir haben gestaunt, gestritten, gelacht und 20 Titel ausgewählt, die auf der Höhe der Zeit sind, wiedergelesen werden wollen und die Welt nicht nur zeigen, wie sie ist, sondern auch, wie sie sein könnte.“
Die Jury 2024: Mit Mitgliedern der SWR Bestenliste-Jury
Die Jurymitglieder entscheiden, wer den Deutschen Buchpreis 2024 erhält. Die Akademie Deutscher Buchpreis wählt die Jury jährlich neu. Eine mehrmalige Jurymitgliedschaft ist möglich. In diesem Jahr sind auch die Mitglieder der SWR Bestenliste, Gerrit Bartels und Klaus Nüchtern, Jurymitglieder des Deutschen Buchpreises.
„Echtzeitalter“: 2023 Roman des Jahres
Mit dem Deutschen Buchpreis zeichnet die Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels jährlich zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse den deutschsprachigen „Roman des Jahres" aus.
Der Preis ist mit insgesamt 37.500 Euro dotiert: Der oder die Preisträger*in erhält 25.000 Euro, die übrigen fünf Autor*innen der Shortlist erhalten jeweils 2.500 Euro. Die Shortlist wird am 17. September 2024 bekannt gegeben.
Im vergangenen Jahr ging der Deutsche Buchpreis an Tonio Schachinger für den Roman „Echtzeitalter“.