Beim Begriff Political Correctness wetzen viele Leute ihre Messer. Mit ihrem Essay „Was ist und was soll Political Correctness“ wollen Jörn Knobloch und Christoph Sebastian Widdau zur Versachlichung beitragen.
Über die Berliner „Mohrenstraße“ wurde ausgiebig gestritten, bei Bismarck-Denkmälern würden manche Leute gern den Vorschlaghammer hervorholen, der Hindenburg-Damm muss doch nicht nach einem Demokratiefeind heißen, und das N-Wort hat in einem Kinderbuch nichts zu suchen. In all diesen Fällen geht es um Symbole und um Sprache.
Und all diese Fälle sind hart umkämpft. Komplett verfeindete und unversöhnliche Parteien scheinen sich gegenüberzustehen. Für die einen kann ein Straßenname verletzend, gar retraumatisierend sein.
Andere berufen sich auf Traditionen oder ein komplexes Geschichtsbild, das sich nicht einfach durch das Auslöschen von Begriffen übermalen lässt. Wenig verbindet diese Positionen.
Was darf man (noch) wie sagen? Darum tobt ein Kulturkampf
Es tobt ein regelrechter Kulturkampf. An diesem Punkt setzt der schmale Essay der Politologen und Philosophen Jörn Knobloch und Christoph Sebastian Widdau an. Sie fragen: „Was ist und was soll Political Correctness?“, beschreiben also zunächst die Grundlagen der Auseinandersetzung, die Herkunft des Begriffs, die Intentionen, die hinter der Forderung nach politischen Korrekturen stecken.
Political Correctness wurde in der Bundesrepublik früh durch Feministinnen praktiziert. Sie zielten darauf, die ungenügende Repräsentation von Frauen in Sprache, Kultur, Politik anzuprangern. Aber längst gehe es neben der Kritik am Sprachgebrauch auch ...
Beitrag zur Versachlichung in der Diskussion um Political Correctness
Political Correctness ist ein Kampfbegriff, dessen Wesen schon zur Genüge wissenschaftlich und feuilletonistisch diskutiert wurde. Knobloch und Widdau aber gehen einen Schritt über die Beschreibung hinaus.
Ihr Anliegen: Sie wollen die Diskussion versachlichen, und zwar indem sie versuchen, die verfeindeten Strömungen der Bewahrer und Korrektoren auf eine gemeinsame ideengeschichtliche Wurzel zurückzuführen.
Natürlich gibt es Rechtsextreme, die der Political Correctness aus durchschaubaren Gründen den Kampf ansagen. Das ignorieren Knobloch und Widdau keineswegs. Aber im Kern der Auseinandersetzung stünden sich unterschiedliche liberale Gesinnungen gegenüber. Dies eröffne die Möglichkeit, doch Übereinkünfte zu finden, die aufgrund der aufgeheizten Debatten schier unerreichbar scheinen.
Fundament gemeinsamer liberaler Überzeugungen gibt Hoffnung
Letztlich begreifen die Autoren die Debatte als Reaktion auf die Krise des Liberalismus. Es handelt sich um einen Streit darüber, wie der Liberalismus fortgeführt, liberalisiert werden könnte. Vor Gerichten lässt sich das schwerlich austragen, durch Gesetze nur um den Preis tieferer Spaltungen regeln.
Auf dem Fundament gemeinsamer liberaler Überzeugungen aber könnten beide Streitparteien die Wichtigkeit ihrer Anliegen erkennen und diskutieren – und Kompromisse aushandeln, die aus der Unbedingtheit des Entweder-Oder ausbrechen.
Der Sprachgebrauch müsse, so Knobloch und Widdau, einer Inventur unterzogen werden; diese ermögliche Suche nach tatsächlichen oder vermeintlichen Beleidigungen. Darauf ließe sich aufbauen. Freilich basiert dieser Vorschlag auf einer von Jürgen Habermas inspirierten Diskursethik, die vernunftbegabte und offene Teilnehmer voraussetzt. Auf solche darf man zwar hoffen. Ob man sie gegenwärtig wirklich finden kann, ist allerdings zweifelhaft.
Mehr Literatur zum Thema Political Correctness
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Deutsch kann weitaus mehr, als man der Sprache zutraut, sagt Miriam Mandelkow. Auch den Blues, der bei ihren Neuübersetzungen von James Baldwin eine wichtige Rolle spielt.
Buchkritik Melanie Möller – Der entmündigte Leser. Für die Freiheit der Literatur
Eine Streitschrift und eine Polemik ist Melanie Möllers neues Buch: Für eine wilde, freie, aufmüpfige Literatur und gegen woke, moralische, politisch korrekte Attacken auf die Literaturgeschichte. Die Altphilologin vertraut auf Kenntnis und Vernunft von Leserinnen und Lesern. Ein anregender und gelehrter Essay – der zugleich Teil jener aufgeregten Debatte ist, gegen die er sich richtet.
Galiani Verlag, 238 Seiten, 24 Euro
ISBN 978-3-86971-302-1