Der Medienfachmann Lutz Hachmeister hat eine Übersicht über rund einhundert Interviews mit Adolf Hitler aus den Jahren 1923 bis 1944 vorgelegt, der Titel: „Hitlers Interviews. Der Diktator und die Journalisten“. Nicht unbedingt neue Erkenntnisse für die Hitler-Forschung, aber wenig schmeichelhafte Einblicke in die Journalistenbranche.
Vor dem Putschversuch von 1923 erschien in den USA ein erstes längeres Interview mit Hitler, geführt von dem prominenten Deutsch-Amerikaner George Sylvester Viereck, einem Bestsellerautor, Publizisten und Esoteriker. Einen Monat vor dem misslungenen Bierkellerputsch in München (und natürlich auch vor Hitlers Buch „Mein Kampf“ von 1925), verhehlt Hitler Anfang Oktober 1923 seine Absichten weniger als später. In seinem Antisemitismus sind mörderische Töne nicht zu überhören.
Lügen und Propaganda eines Diktators
So deutlich wird Hitler später nicht mehr. Und Fragen zum Antisemitismus bleiben in Hachmeisters Buch ohnehin die Ausnahme. Viele Auslandsjournalisten begnügten sich mit der Sensation einer Exklusiv-Begegnung mit einem angesagten Politiker und späteren Diktator, sie ließen ihn reden, ohne nachzufragen, und verbreiteten es als Clou. So gelingt Propaganda. Das erste (wenn auch kurze) Hitler-Interview in einer französischen Zeitung erschien am 19. März 1932 in L’Œuvre (»Das Werk«), einer linken Publikation. Es war aber kein klassisches Interview mit Fragen und Antworten, schreibt Hachmeister, sondern eher ein Monolog: Hitler als Friedensfreund.
Der Diktator und die Journalisten
Interessant in diesem Buch ist die Bestandsaufnahme einer internationalen Journalistenszenerie und die Kurzbiographien dazu, in denen Hintergründe, fragwürdige Allianzen, Eitelkeiten der Branche, Verführbarkeit, Karrieresucht angedeutet werden. Dazu veranschaulicht eine lange Reihe weitgehend unterbeleuchteter Memoirenliteratur die Begegnungen mit dem Diktator. Zur Rolle der französischen Journalisten fasst Lutz Hachmeister zusammen:
Massenpsychologie und Täuschungsmanöver
Insgesamt bringt diese aufwendig recherchierte Bestandsaufnahme Hachmeisters nicht unbedingt neue Erkenntnisse für die Hitler-Forschung. Einblicke in die Journalistenbranche hingegen sind höchst aufschlussreich und wenig schmeichelhaft. Es herrschte viel Opportunismus und Spökenkiekerei, Irrtümer, Naivität und Dummheit verstellten die Sicht, Servilität und Kollaboration waren verbreitet. Wiederholt warnt Hachmeister vor Interviews mit Diktatoren oder Autokraten, auch mit Blick in die Gegenwart. In seinem Vorwort zitiert der Medienfachmann den französischen Mediziner und Soziologen Gustave Le Bon aus seiner „Psychologie des foules“ von 1895. Darin spricht der französische Autor über Massenpsychologie und die Macht von Täuschungen.