Der Filmemacher und Schriftsteller Alexander Kluge und der Maler und Bildhauer Anselm Kiefer treffen sich zum Dialog über die Kunst, sich selbst treu zu bleiben. Herausgekommen ist viel mehr als ein Buch – eine mediale Neuerfindung.
Weißer Umschlag, grüner Balken – von außen sieht das Buch aus wie ein klassischer Band aus der Bibliothek Suhrkamp. Wenn man sich aber hineinvertieft, ist es viel mehr: Schatzkasten, Zauberkunststück, Überraschungsei. Um den besonderen Charme dieser medialen Neuerfindung zu entdecken, muss man aber erst einmal lesen.
Das Buch ist aus dem Dialog zwischen dem Künstler Anselm Kiefer und dem Filmemacher und Schriftsteller Alexander Kluge entstanden:
Kunst vor dem Hintergrund der deutschen Vergangenheit
Es geht um Freundschaft, auch wenn das Wort nicht strapaziert wird, es geht um Unterschiede und Berührungspunkte zwischen den Menschen, den Künsten und der Zeit.
In Text-Collagen, Assoziationen, Zitaten und gemeinsamen Gesprächen kommentiert Alexander Kluge das Werk von Anselm Kiefer und reflektiert dabei seine eigene künstlerische Position. Im Hintergrund beider Biografien wummert der Krieg.
Alexander Kluge ist 1932 in Halberstadt geboren, Anselm Kiefer im März 1945 in einem Luftschutzbunker in Donaueschingen. Als er auf die Welt kam, schreibt Kluge über Kiefer, „waren Süddeutschlands Himmel voller alliierter Flugzeuge“. Flugzeuge werden zu wiederkehrende Motiven in Kiefers Werk. Kluge vergleicht den Maler und Bildhauer mit einer Fledermaus. Die Tiere werfen Töne an die Wände und orientieren sich am Echo.
Künstlerische Gemeinsamkeiten
Die beiden Künstler verbindet das Prinzip, ihr Material zu zerlegen, zu schichten und zu verdichten. Die abgebildeten Werke von Kiefer bestehen aus Stroh, Gold, Schellack. Er zersetzt seine Bilder durch das Elektrolyse-Verfahren oder begräbt sie unter Blei. Einige, sagt er im Buch, könnten einen Atomkrieg überstehen. Gemeinsam ist den Werken der unbedingte Anspruch an die Kunst. Alexander Kluge schreibt.
Das Buch wird zum Kino
Und dann wandelt sich der Charakter des Buches: Kleine QR-Codes erscheinen auf den Seiten. Wenn man sie mit dem Handy scannt, wird das eigene Smartphone zum Taschenkino. Kurze Filme öffnen sich, nur eine Minute lang, wie die ersten Filme in der Geschichte des Kinos. Alexander Kluge kreiert neue Bilder auf den übermalten Rändern der Leinwände von Anselm Kiefer, die dieser Elefantenhaut nennt:
„Klugheit ist die Kunst, unter verschiedenen Umständen getreu zu bleiben“ – der unscheinbare Band birgt mehrere Stunden Film. Da sind zwei Systemsprenger am Werk. Getreu bleiben sich Anselm Kiefer und Alexander Kluge, indem sie immer wieder die Grenzen ihrer Kunst überschreiten.
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