Ein Kunstraub in Boston, Agatha Christie und eine kurdische Familie in Rotterdam: Cemilie Sahin bringt sie im rasanten Roman „Kommando Ajax“.
Ein Hochzeitssaal in Rotterdam. Es ist das Jahr 1995. Die Familie Korkmaz. Eine Braut und ein Bräutigam. Ein Schuss. Und Keko, der Bräutigam, ist tot. Wer war es? Wer hat ihn ermordet? Und vor allem: warum?
Von diesem Hochzeits-Murder-Mystery ausgehend zieht Cemile Sahin die Erzählstränge ihres Romans:
Die Vergangenheit und die Zukunft einer kurdischen Familie
Im Mittelpunkt von „Kommando Ajax“ steht eine kurdische Familie, mit Mitgliedern, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Fünf Brüder, einer von ihnen, Keko, auf der Hochzeit ermordet. Ali Hüseyin, der dicke Dachdecker, mit dem Traum, Maler zu sein. Xidir, den die Polizei für Kekos Mörder hält.
Ali Ekber und Ali Haydar, die auf dem Bau arbeiten und später eine Baufirma gründen. Und die Schwester Fatma, die ehrgeizige und clevere Putzfrau mit dem Traum vom Mercedes, obwohl sie gar keinen Führerschein besitzt. „Kommando Ajax“ führt uns in die Zeit, nach dem Mord, aber auch zurück in die Vergangenheit der Familie Korkmaz.
Wir folgen Ali Hüseyin, der malt wie die Alten Meister, gekonnt wie Caravaggio, dessen Talent von den Brüdern belächelt wird. Ali Hüseyin malt nur Selbstporträts, aus verschiedenen Perspektiven mit der Landschaft des Heimatdorfes im Hintergrund.
Er war der erste, der das kurdische Dorf verließ, um – mit Zwischenstopp in Istanbul - in die Niederlande zu emigrieren.
Die Herausforderungen der Migration
In Rotterdam müssen sich die verschiedenen Generationen nach der Flucht nach Europa neu orientieren. In der Familie Korkmaz geht man unterschiedlich mit dem neuen Leben im Exil um. Während Ali Hüseyin malt, wird der andere Bruder spielsüchtig. Schwester Fatma befreit sich von ihrem gewalttätigen Ehemann.
Liebevoll schrullig zeichnet Sahin ihre Figuren voller seelischer Narben, und mit leisem, manchmal düsterem Humor beschreibt sie die Herausforderungen der Migration:
Cemile Sahins dritter Roman
„Kommando Ajax“ ist Cemile Sahins dritter Roman. Und immer wieder beschäftigt sie sich in ihrer literarischen Arbeit mit der kurdischen Identität. Heimatlosigkeit und Sehnsucht nach den Wurzeln plagen die Figuren in „Kommando Ajax“.
Ein aufwendig gestaltetes Buch
Und wer hat nun den Bruder auf der eigenen Hochzeit ermordet? Das erzählt Sahin nach und nach, verwebt die Erzählstränge ineinander, führt uns spannend wie in einem Thriller auf falsche Fährten. Und neben glücklichen und unglücklichen Zufällen, Begegnungen mit Gangstern und Kriminellen, spielt die bildende Kunst in diesem Roman eine große Rolle.
Cemile Sahin schreibt nicht nur, sie ist auch Künstlerin, sie arbeitet mit Video, Schrift und Fotomontagen.
Diese Erfahrungen fließen in den Roman mit ein: Immer wieder tauchen Bilder und Grafiken mit auf, oft wird der Text selbst zu einem gestalterischen Element. Es gibt fast drehbuchhafte Passagen, Sahin springt wie im Filmschnitt zwischen Dialogen, Rückblenden und Zooms hin und her.
„Kommando Ajax“ ist visuell lebendig, sprachlich und dramaturgisch erfrischend.
Absurde und doppelbödige Einfälle
Und dann kommt auch noch - Stichwort: Murder Mystery - eine Agatha Christie ins Spiel. Die ist zwar Namensvetterin der britischen Krimipäpstin, in diesem Fall aber verwandtschaftlich mit dem Christies Auktionshaus verbandelt.
Was es mit dieser Figur auf sich hat, wird hier nicht verraten.
Sahin überrascht immer wieder mit absurden und doppelbödigen Einfällen – und erzählt zugleich die Geschichte von prekären Existenzen, Schicksalsschlägen und der Sehnsucht nach einem Zuhause.
Das macht „Kommando Ajax“ zu einem spannenden, rasanten Stück Gegenwartsliteratur. Ein kunstvoll gestaltetes Buch, das man gar nicht mehr weglegen mag. „Kommando Ajax“ - Kommando: lesen!
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