Thomas Hitzlspergers Coming-out 2014 als homosexueller Profifußballer war ein Meilenstein für den Kampf gegen Schwulenfeindlichkeit im Fußball und in der Gesellschaft. Sein Buch „Mutproben“, das er mit dem SZ-Reporter Holger Gertz verfasst hat, ist eine abenteuerliche Lebensgeschichte.
Sie führte von der bayerischen Provinz in die drei großen europäischen Fußballligen und machte ihn zu einem engagierten Kämpfer für Vielfalt und Toleranz, gegen Rassismus und Gewalt im Fußball und in der Gesellschaft − auch wenn sich bis heute nicht alle Hoffnungen erfüllt haben, die Hitzlsperger mit seinem historischen Schritt vor zehn Jahren verbunden hat.
Kindheit ohne Bücher im Regal
Zum Lesen sei Thomas Hitzlsperger selbst erst relativ spät gekommen, wie er im Gespräch mit Literaturkritiker Denis Scheck beim Bücherfestival Baden-Baden gesteht. Bei seinen Eltern auf dem oberbayerischen Land, wo Hitzlsperger als jüngster Sohn mit sechs weiteren Geschwistern aufwuchs, habe es keine Bücher gegeben.
Da das Fußballtraining Hitzlsperger nur einen Teil seines Tages beanspruchte, suchte er nach einer Beschäftigung für seine freien Nachmittage. Nach einem abgebrochenen Fernstudium habe er schließlich angefangen, sich in Bücher reinzuarbeiten, so Hitzlsperger: „Ich wollte etwas für meinen Kopf tun.“ Seine Begeisterung für Literatur mit seinen Mannschaftskollegen zu teilen, sei allerdings nicht einfach gewesen.
„Deswegen wollte ich das nicht so offensiv mit den Kollegen besprechen, weil es erstmal eine Form der Andersartigkeit ist, die im Fußball den Spieler erstmal suspekt werden lässt“, so Hitzlsperger weiter.
Kein Wunderkind, aber konnte stets auf Unterstützung bauen
Bereits mit sieben Jahren wechselte Hitzlsperger von seinem Heimatverein VfB Forstinning zum FC Bayern München, wo er elf Jahre spielte, bis er 2020 nach Birmingham zu Aston Villa wechselte. Die Frage danach, ob er ein Wunderkind sei, weist der 42-Jährige entschlossen zurück.
Dazu, warum Depressionen, Homosexualität und Queerness für lange Zeit Tabus im Profifußballbereich waren, sagt Hitzlsperger, dass man darüber nicht spreche, weil es einen angreifbar machen könnte, gerade auch in der Fußballkabine: „Da kann man jemanden echt fertig machen. Ich habe Dinge erlebt in so einer Fußballkabine, die sind extrem unangenehm.“
Die größte Hürde
Vor seinem Coming-out habe sich seine Angst nicht darauf gerichtet, wie die Öffentlichkeit, die Presse oder Fans auf seine Homosexualität reagieren könnten, sondern auf die Situationen in den Kabinen, „Da, wo keine Kamera drin ist. Wo ein paar sagen, ich hab‘ keinen Bock auf den. Ich will mich nicht umziehen mit einem schwulen Kollegen. (...) Das war für mich die größte Hürde“, so Hitzlsperger.
2014 bekannte sich Thomas Hitzlsperger dann in einem Zeit-Interview zu seiner Homosexualität. Zehn Jahre nach seinem Coming-out zieht er beim Bücherfestival Baden-Baden folgendes Resümee:
Eine Aufzeichnung vom 10. November 2024 beim Bücherfestival Baden-Baden.