Der spanische Regisseur Juan Antonio Bayona erzählt von einem weltberühmten Flugzeugabsturz in den Anden am 13.10.1972. Erst nach 72 Tagen und unmenschlichen Strapazen wurden 16 Menschen gefunden, die entgegen aller Prognosen überlebt hatten. Das Ereignis, das weltweit Schlagzeilen machte, kam vor 20 Jahren mit Ethan Hawke ins Kino. Netflix hat den Stoff authentischer, ernsthafter und trotzdem spannend verfilmt.
Der Tag an dem Flug 571 weltberühmt wurde
Es sollte ein ganz normaler Ausflug werden im Herbst 1972, als diese in ihren Hauptelementen auf Tatsachen basierende Geschichte geschah. Alles beginnt sanft. Doch was folgt, ist bereits einer der berühmtesten Flugzeugabstürze der Geschichte.
Die zweimotorige Propellermaschine prallte mit gut 40 Passagieren und 5 Besatzungsmitgliedern in über 4.000 Metern Höhe gegen einen Berg und brach zwar auseinander, aber die vordere Hälfte blieb einigermaßen intakt. Die Wucht des Aufpralls wurde durch den hohen Schnee und ein viele hundert Meter langes Schlittern in der Talsohle abgedämpft, über 20 Menschen überlebten, wenn auch zum Teil schwer verletzt.
Regisseur Juan Antonio Bayona nutzt die Mechanismen des Horrorfilms
Der spanische Regisseur Juan Antonio Bayona, der diese Geschichte in einer uruguayisch-chilenisch-spanische Koproduktion erzählt, ist durch avancierte Horrorfilme und anderes Genrekino bekannt geworden. Diese Erfahrung nutzt ihm hier sehr, denn so weiß Bayona, wie er auch die konkreten, sinnlich-leiblichen und oft genug unangenehmen bis unvorstellbaren Aspekte der nun folgenden Tortur des Überlebens erzählt, dies aber mit den vielen universalen, zum Teil ethisch-philosophischen Aspekten des Geschehens verbindet.
Überlebenskampf bis zum Kanibalismus
Wie erhält man seinen Lebenswillen über so lange Zeit aufrecht – auch in Phasen tiefster Hoffnungslosigkeit? Was tut man mit den Toten?
Oder ganz konkret: Wie versorgt man die Schwerverletzten ohne angemessene Bedingungen, ohne Schmerzmittel? Es half den Überlebenden, dass einer von ihnen ein mehr oder weniger abgeschlossenen Medizinstudium hatte, ein anderer ebenfalls medizinische Grundkenntnisse.
Wie aber schützt man sich gegen die beißende Kälte? Wie gewinnt man Wasser aus Schnee? Vor allem aber: Wie ernährt man sich, wenn die Vorräte aus Schokolade, Crackern und Thunfischkonserven zur Neige gehen?
Die Antwort, die hierauf gegeben wurde, machte Flug 571 weltberühmt, und führte sogar zu einer Absolution durch den Vatikan. Nach ungefähr acht Tagen begann man darüber zu sprechen, und kurz darauf wurde der Tabubruch vollzogen, von den Leichenteilen zu essen. Nur so gelang das Überleben.
Der Umgang mit dem Tabubruch
Aber weil es natürlich ein Tabubruch ist, nimmt der moralisch-ethische Umgangs damit viel Raum ein in diesem Film. Ein großartiges Thema und eine sehr sehr ungewöhnliche Geschichte.
Man muss sich hier immer wieder einmal ins Gedächtnis rufen, dass all das tatsächlich geschah, und das alle, die am Ende gerettet wurden, noch heute am Leben sind. In seiner Machart ist der Film auf hohem Niveau, aber relativ konventionell und in einigen Aspekten melodramatisch.
Homo Faber im Schnee
Dramaturgisch schwer macht es die Tatsache, dass es keinen wirklichen Antagonisten gibt, keinen Feind. Der Antagonist ist die Natur, ist der Tod selbst. Es gibt für die Figuren nur verschiedene Arten, sich zu verhalten und die Herausforderung an die Zuschauer liegt in diesen verschiedenen Identifikationsangeboten.
Ein Zuschauer wird sich, wenn er hier mitgeht, positionieren. Das Ganze ist natürlich auch eine Lektion in Techniken des Überlebens. Man braucht Lebenswillen, man braucht harte Entscheidungen, man braucht die Fähigkeit, Prioritäten festzusetzen und zu priorisieren, worauf es ankommt.
Trailer „Schneegesellschaft“ ab 21.12. in ausgewählten Kinos und ab 4.1.24 auf Netflix
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