Rote Zahlen für Unterhaltungskonzern

Kinodämmerung bei Disney? Warum der Filmgigant an den Kinokassen enttäuscht

Stand
Autor/in
Dominic Konrad

„Geistervilla“, „Indiana Jones“, „Elemental“, „Arielle, die Meerjungfrau”: Früher galten Blockbuster aus dem Hause Disney als relativ sichere Hit-Garanten. Doch die vier großen Kinospektakel der vergangenen zwei Monaten blieben an den Kinokassen deutlich hinter den Erwartungen zurück. Hat sich der Konzern mit seiner offensiven Streaming-Politik das Kinogeschäft verbaut?

Indiana Jones und das Rad des Schicksals (2023)
Für den fünften Teil der „Indiana Jones“-Reihe kehrt Harrison Ford über 40 Jahre nach dem ersten Teil als Haudegen-Architekt zurück. Beim Publikum kam das Nostalgie-Spektakel allerdings nicht sonderlich gut an.

Schlechte Kinozeiten für Disney

Eigentlich sollte es dieses Jahr Grund zur Freude geben im Hause Disney. Der Konzern feiert sein hundertjähriges Bestehen mit einem spektakulären Feuerwerk an Filmen, Serien und Live-Events. Doch mit der Fest-Stimmung dürfte es derzeit in der Firmenzentrale im kalifornischen Burbank nicht sonderlich weit her sein.

An der Kinokasse läuft es derzeit alles andere als rosig für das „Haus mit der Maus“. Folgende Zahlen veröffentlicht der Branchendienst Box Office Mojo:

  • Mit seiner Grusel-Komödie „Geistervilla“ versuchte Disney in bester „Fluch der Karibik“-Manier, ein Disneyland-Fahrgeschäft auf Zelluloid zu bannen. Mit einem internationalen Einspielergebnis von 61 Millionen Euro in den ersten zwei Wochen kann der Film gegen die Omnipräsenz von „Barbie“ und „Oppenheimer“ nur wenig entgegensetzen. Die Produktionskosten werden auf 150 Millionen Dollar beziffert.
  • Der fünfte und voraussichtlich letzte Teil der „Indiana Jones“-Reihe (Kinostart 28. Juni) spielte bislang 369 Millionen Dollar ein. Aufgrund der hohen Produktions- und Marketingkosten, die auf bis zu 400 Millionen Euro geschätzt werden, muss der Film ein Flop gewertet werden.
  • Pixars Animationsabenteuer „Elemental“ legte mit 29 Millionen Dollar einen der schlechtesten Filmstarts in der Geschichte der Animationsschmiede hin. Bislang spielte der Film, gemessen an früheren Erfolgen, nur 425 Millionen Dollar ein. Es ist für Pixar die dritte Kino-Enttäuschung in Folge nach „Lightyear“ und „Rot“ im Jahr 2022.
  • „Arielle, die Meerjungfrau“ ist zwar mit einem internationalen Einspielergebnis von 566 Millionen Dollar einer der bislang erfolgreichsten Filme des Jahres 2023, bleibt aber deutlich hinter anderen großen Remakes von Disney-Zeichentrickklassikern zurück. „Die Schöne und das Biest“ (2017) erwirtschaftete im Kino 1.266 Millionen Dollar, „Aladdin“ (2019) 1.054 Millionen Dollar, „Der König der Löwen“ (auch 2019) sogar 1.663 Millionen .
Arielle, die Meerjungfrau (2023)
Einer der erfolgreichsten Filme des Jahres, aber dennoch in den Zahlen deutlich hinter anderen Disney-Remakes: „Arielle, die Meerjungfrau“ mit Schauspielerin Halle Bailey in der Titelrolle.

Nachwirkungen der Corona-Zeit?

Vergleiche mit den Einspielergebnissen vor der Pandemie hinken natürlich bis zu einem gewissen Grad. Auch wenn sich die Zahl der Kino-Besucher*innen immer weiter der Vor-Corona-Zeit annähert und der „Barbie“-Hype aktuell die Menschen ins Kino zieht, bleiben gerade Filme aus dem Hause Disney hinter den Erwartungen zurück.

Dabei haben Disney-Produktionen auch in der Zeit nach Corona keineswegs ihre Publikumswirksamkeit verloren. Den Beweis liefert Disneys 2021 veröffentlichter Zeichentrickfilm „Encanto“. An den Kinokassen verfehlte der Film über eine kolumbianische Familie mit magischen Kräften die finanziellen Ziele deutlich. Der Erfolg stellte sich erst einen Monat nach dem Kinorelease ein – mit der Veröffentlichung auf Disneys Streaming-Plattform Disney+.

   

Encanto (2021)
Riesenhit nach Startschwierigkeiten im Kino. Erst mit dem Home-Release wurde „Encanto“ (2021) zur weltweiten Sensation. Der Song „We Don't Talk About Bruno“ schaffte es sogar noch im Nachgang an die Spitze der UK-Singlecharts.

Zerstört das eigene Streaming-Angebot Disneys Kinogeschäft?

Disney launchte seinen hauseigenen Streaming-Service in den USA im November 2019, in Westeuropa Ende März 2020, nur wenige Tage nach dem ersten Corona-Lockdown. Um den Rückstau an Kinoproduktionen zu minimieren und Anreize für Neukund*innen zu schaffen, veröffentlichte der Konzern eine Vielzahl an hochkarätigen Produktionen exklusiv auf der hauseigenen Plattform: Marvels „Black Widow“, Pixars Filme „Luca“ und „Soul“ sowie die Real-Verfilmung von „Mulan“ landeten ohne Kino-Auswertung direkt auf der Plattform.

Auch nach der Wiederöffnung der Kinos hielt Disney die Zeitfenster für Kino-Releases sehr eng. Viele Disney-Filme, darunter auch „Encanto“, waren bereits wenige Wochen nach der Kinopremiere im normalen Release auf Disney+ verfügbar. Disneys Zuschauerinnen und Zuschauer haben sich nun an diese sehr enge Taktung bis zum Home-Release gewöhnt und spekulieren auch bei hochkarätigen Filmproduktionen auf einen zeitigen Streaming-Start.

Strange World (2022)
Disneys größter Kino-Flop seit langem: Ins Kino konnte „Strange World“ das Publikum nicht locken, dafür feierte der Film über Weihnachten im Streaming große Erfolge.

Dieser Umstand dürfte gerade auch Disneys letztem Zeichentrickabenteuer „Strange World“ das Einspielergebnis verhagelt haben. Der Film spielte bei Kinostart im November 2022 trotz wohlwollender Kritiken weltweit nur 73,6 Millionen Dollar ein und machte gegenüber den Produktions- und Marketingkosten einen Verlust von mindestens zu 100 Millionen Euro. Ein „katastrophales Ergebnis“, wie das Branchenmagazin „Variety“ titelte.

Zur Streaming-Veröffentlichung führte der Film in allen Ländern, in denen er abrufbar war, über mehrere Wochen die Streamingcharts bei Disney+ an.

Eine Umstrukturierung für Disneys Streaming-Strategie ist unvermeidbar

Das Streaming-Geschäftsmodell rund um Disney+ ist alles andere profitabel: Hohe Kosten für Exklusiv-Serien rund um die Flaggschiff-Franchises „Star Wars“ und „Marvel“ und verfehlte Zielmarken bei den Abonnement-Zahlen machen den Service zuletzt so unprofitabel, dass in den letzten Wochen vehement über einen Verkauf des Medienkonzerns an Apple spekuliert wurde.

Nun will es Disney seinem Konkurrenten Netflix nachmachen und gegen das Teilen von Account-Passwörtern vorgehen. Die werbefreie Variante des Streaming-Angebots soll in den USA künftig 13,99 Dollar kosten, doppelt so viel wie bei der Einführung des Services im November 2019. In Deutschland liegt das Abonnement noch bei 8,99 Euro.

Streikende Autorinnen vor den Toren der Disney-Konzernzentrale
Die Writers Guild of America fordert von Disney eine gerechtere Entlohnung der Arbeit von Drehbuchautor*innen im Streaming-Zeitalter. Seit Mai dauert der Streik und verzögert neue Produktionen und die Fortsetzung von Erfolgsserien.

Für Entspannung dürften auch die Streiks der Autor*innen- und der Schauspiel-Gewerkschaften nicht sorgen, stellt doch die gerechte Entlohnung durch Streaming-Anbieter eine der Kernforderungen der Streikenden dar.

Disney-CEO Bob Iger, der Anfang Juli seinen Vertrag bis Ende 2026 verlängerte, hat bereits angekündigt, die bisherige Streaming-Strategie auf den Prüfstand stellen zu wollen. Die Kosten rund um das Streaming-Geschäft sollen um wenigstens 5,5 Milliarden Dollar gedrückt werden.

Bitter nötig, dass Iger im Zuge der Umstrukturierung auch die derzeitige Kino-Strategie auf den Prüfstand stellt.

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Es begann mit Micky Maus. Heute ist Disney ein politischer Faktor in den USA. Einst Inbegriff des weißen Familienideals, ist der Konzern längst divers geworden, manche sagen: woke. Wirklich?

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