„ZEIT Verbrechen“ gehört zu den erfolgreichsten True-Crime-Podcasts in Deutschland. Die Gerichtsreporterin Sabine Rückert erzählt hierbei nicht nur von ungewöhnlichen Kriminalfällen, sondern deckt auch Justizirrtümer auf und prangert Missstände an. Daraus ist eine Mini-Serie in vier Teilen auf RTL+ entstanden. Das Ensemble rund um Sandra Hüller und Lars Eidinger gibt tiefe Einblicke in menschliche Abgründe.
Wie statt wer
In der starbesetzten Mini-Serie ist die zentrale Frage nicht, wer es war, sondern: Wie konnte es dazu kommen? Jede der vier Folgen braucht nur eine Stunde, um in großer erzählerischer Dichte die Hintergründe eines Verbrechens zu beleuchten, das jedes mal ganz anders abläuft. Für jeden Fall finden die verschiedenen Regisseurinnen und Regisseure der jeweiligen Folgen einen ganz eigenen Stil.
Systemversagen
In der ersten Folge „Dezember“ begleitet die Kamera den 18-jährigen Tim, nah dran und ohne Schnitt gedreht. Er verliert durch einen Drogen- und Alkoholcocktail in einer Dorfdisko die Orientierung.
Für seinen Tod scheint Systemversagen verantwortlich zu sein – unterlassene Hilfeleistung. Die Sanitäter sind überlastet und lassen Tim davonziehen, die Polizei fängt ihn ein und setzt ihn mitten auf einer verlassenen Landstraße wieder aus – im Pulli, im eisigen Winter.
Rassistische Prägung der Staatsanwaltschaft
Ebenso erschütternd ist der zweite Teil „Deine Brüder“. Regisseurin Helene Hegemann spürt sensibel dem tragischen Tod innerhalb eines Freundeskreises nach: Warum töteten fünf junge Männer ihren besten Freund aus Kindertagen?
Das in Rückblenden erzählte Gerichtsdrama macht deutlich, wie rassistische Prägungen der Staatsanwaltschaft und des Richters zu vorschnellen Verurteilungen führen können.
Da die Männer einen Migrationshintergrund haben, wird automatisch auf Bandenkriminalität geschlossen, obwohl es sich in Wahrheit um einen ausgelagerten Suizid handelt. Denn Cem, der Getötete, litt unter einer schweren Form von Schizophrenie. Hilfe bekam er keine. Sein Tod war wohl ein Akt der Verzweiflung.
Weniger Crime – mehr Systemkritik
Die vier Fälle zielen weniger auf den Gruselfaktor oder das Grauen von Verbrechen ab, sondern üben Systemkritik. Sie werfen die Frage auf, welche gesellschaftlichen und institutionellen Bedingungen für Verbrechen verantwortlich sein könnten.
Politische Fragen nach den Methoden des Verfassungsschutzes werden auch in der dritten Folge „Der Panther“ gestellt: Lars Eidinger spielt hier einen durchgedrehten V-Mann, der eigentlich in der Mafia-Szene von Leverkusen ermitteln soll. Stattdessen bereichert und beteiligt er sich an Prostitution und Drogenhandel und bezahlt die Schulden seiner Spielsucht mit staatlichen Geldern.
Filmisch und inhaltlich sensationell gut erzählt
Wenn in der vierten Folge ein deutscher Rentner auf eine Heiratsschwindlerin aus Ghana reinfällt, werden im Film indirekt die Folgen von Raub und Kolonialismus thematisiert. Wer hat zuerst genommen und wer nimmt sich was zurück?
Die Serie „ZEIT Verbrechen“ der Produktionsfirma X-Filme ist filmisch und inhaltlich sensationell gut erzählt und findet sich nicht mit oberflächlichen Antworten ab. Ein ungewöhnlicher und kritischer Blick in die vielschichtige Natur menschlichen Handelns, das wir Verbrechen nennen.
Trailer „ZEIT Verbrechen“, ab 6.11. auf RTL+
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