Der österreichische Wettbewerbsbeitrag „Des Teufels Bad“ von Veronika Franz und Severin Fiala beschäftigt sich mit dem Thema Depression im 18. Jahrhundert. Er beleuchtet den furchtbaren Weg, den viele Depressive, vor allem Frauen, wählten, um ihr Leben zu beenden, ohne als Selbstmörderinnen zu gelten. Ein abgründiger Historienfilm mit Horrorelementen, der dem Zuschauer einiges abverlangt.
Die eigene Hinrichtung provozieren
„Ich muss etwas gestehen“. Mit diesem schlichten Satz klopft die junge Bäuerin Agnes an die Pforte des kirchlichen Inquisitors. Agnes hat ein Kind umgebracht, aber eine klassische Kindsmörderin ist sie nicht. Sie kannte den Jungen gar nicht. Er diente ihr nur als Mittel zum Zweck. Denn eigentlich will Agnes, die an Depressionen leidet, einfach nur sterben.
Damals wählten viele Frauen den Weg des so genannten „mittelbaren Selbstmords“: um sicher hingerichtet zu werden, begingen sie einen Mord. Da sie vorher noch ihre Sünden beichten durften, hofften sie, auf diesem Wege der Verdammnis zu entgehen. Aber sich selbst das Leben zu nehmen, gilt im erzkatholischen Oberösterreich Mitte des 18.Jahrhunderts als schlimmste aller Sünden.
Gerichtsakten belegen rund 400 Fälle von „mittelbaren Selbstmord“
Das österreichische Regieduo Veronika Franz und Severin Fiala greifen in „Des Teufels Bad“ ein bislang wenig bekanntes Phänomen auf. Dabei ist es in Gerichtsakten dokumentiert. Allein im deutschen Sprachraum finden sich ungefähr 400 Fälle solcher Frauen, die für sich keinen anderen Ausweg sahen.
Basierend auf historischen Gerichtsprotokollen erzählt „Des Teufels Bad“, wie es so weit kommen konnte: wie die empfindsame, tief gläubige Agnes nach der Hochzeit an ihrem neuen Umfeld verzweifelt: am harten Alltag und am wortlosen Ehemann, der sie nachts nicht anfasst, wo sich sie doch so sehnlich ein Kind wünscht. Dazu die Schwiegermutter, die ihr Tun misstrauisch beäugt.
Angst und Einsamkeit führten viele Frauen in die Depression
Gesprochen wird wenig in diesem strengen Film, in dem es niemals richtig hell wird. Die Einsamkeit und die Angst, die Agnes in ihrer neuen Umgebung spürt, weiten sich bald aus zu einer Depression.
Eine Krankheit, die man im 18. Jahrhundert nur als „des Teufels Bad“ kennt und für die ihr Umfeld keinerlei Verständnis aufbringt. Im Wald, wo Agnes sich viel aufhält, findet die Kamera von Martin Gschlacht starke Bilder für ihr Seelenleben: ein Dornengestrüpp, in dem sie sich heillos verheddert zum Beispiel oder eine moosbewachsene Erdhöhle, in der sie sich wie ein Fötus einrollt.
Ebenso genau wie der Film Agnes‘ Innenwelt erkundet, dokumentiert er das bäuerliche Leben ihrer Außenwelt. Ausführlich zeigt „Des Teufels Bad“, wie hart die Menschen beim Fischfang oder auf dem Acker für ihr karges Auskommen schuften müssen. In einigen quälend expliziten Szenen zeigt er die Gewalt, die zum Alltag gehört. Diese Welt bietet keinen Raum für Verbundenheit, Verletzlichkeit oder Abweichung von der Norm.
Zwänge des 18. Jahrhunderts erinnern an heutige Leistungsgesellschaft
Dass eine empfindsame Seele wie Agnes in dieser Umgebung eingeht, erscheint fast zwangsläufig. Anja Plaschg, besser bekannt unter ihrem Künstlernamen als Musikerin „Soap&Skin“, verkörpert sie mit großer Intensität.
Sie spielt sie als eine Frau, die gleich zweifach gefangen ist: in ihrer Krankheit ebenso wie in den Regeln und Zwängen einer Gesellschaft, in der der Einzelne funktionieren muss. Insofern erscheint das 18.Jahrhundert, das in vielem so archaisch wirkt, dann auch wieder ziemlich nah dran an der Leistungsgesellschaft unserer Zeit. Einer Zeit im Übrigen, in der Depressionen zwar behandelbar sind, aber nach wie vor zu den am häufigsten übersehenen Krankheiten gehören.
Der Kinostart von „Des Teufels Bad“ steht noch nicht fest.
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