Kommentar

Teure Sanierung: Ist die Komische Oper Berlin in Gefahr?

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Albrecht Selge
Albrecht Selge

Seit einigen Tagen kursieren die Gerüchte, dass sich beim Thema Einsparungen die Augen der Koalition auch auf den Sanierungsfall Komische Oper richten und sogar ein Verkauf des Hauses im Raum steht. Was sagt unser Berliner Kommentator Albrecht Selge zu diesem Fall?

Hat Berlin zu viele Opernhäuser?

Wir leben in unsicheren Zeiten. Und doch gibt es Dinge, auf die man sich absolut verlassen kann: In irgendeinem deutschen Badesee treibt jeden Sommer ein Krokodil sein Unwesen – manchmal kann das Krokodil auch die Gestalt einer Löwin annehmen, die in Wahrheit ein Wildschwein ist.

Und alle paar Jahre wird wieder die Berliner Opernsau durchs Dorf getrieben: Muss, kann, darf die deutsche Hauptstadt mit ihren vier Millionen Einwohnern und jährlich fünf Millionen Touristen drei erstrangige Opernhäuser haben? Gehört sich das?

Blick auf das Stammhaus der Komischen Oper aus der Vogelperspektive. Das Bild zeigt die Komische Oper vor der Sanierung.
Teurer Sanierungsfall: 450 Millionen Euro soll die Instandsetzung des Stammhauses der Komischen Oper in der Behrenstraße kosten. Eine Summe, die den Berliner Senat derzeit diskutieren lässt.

Berlins Bürgermeister will „keine Denkverbote“ beim Fall Komische Oper

Dieses Jahr ist es wieder so weit, die Opernsau hat auch eine neue Gestalt angenommen: Könnte man nicht, so rauschte es aus dem Berliner Senat, die gerade begonnene Sanierung der Komischen Oper irgendwie abbrechen, um Geld zu sparen? Vielleicht, wenn man’s statt abbrechen „verschieben“ oder „strecken“ nennt?

Oder könnte die Komische Oper nicht einfach in ihrer Ausweichspielstätte bleiben, dem ehemaligen Schillertheater, das zwar für musikalische Darbietungen nur eingeschränkt geeignet ist, aber das man eben noch so rumzustehen hat in der Stadt? Und dafür das unsanierte Originalopernhaus verkaufen, an wen auch immer? Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner wollte diese Option auf Nachfrage explizit nicht ausschließen: Es dürfe „keine Denkverbote“ geben.

Berlins kleinste Opernbühne Musiktheater mit Herz und Schnauze: 75 Jahre Komische Oper Berlin

Deutschlands Hauptstadt leistet sich drei Opernhäuser. Die Komische Oper ist die kleinste, aber auch die frechste unter ihnen. Während die großen Stars auf der Bühne der Staatsoper defilieren, setzt das Haus an der Behrensstraße auf eigenwillige Regieideen und zugängliches Repertoire – mit Erfolg!

In Berlin gilt: Nüscht wird so heiß gegessen wie's gekocht wird

Solche Entscheidungen kämen einem Todesstoß für das Haus gleich, kommentierte entsetzt Barrie Kosky, der ehemalige Intendant, der weiterhin regelmäßig an der Komischen Oper inszeniert. Nun bringt der berüchtigte „Baliner Schlendrian“ es mit sich, dass dort am Ende nüscht so heiß gegessen wird, wie’s zu köcheln anfing. Es ist kaum vorstellbar, dass der Senat am Ende die Komische Oper derart über die Klinge springen lässt.

Immerhin ist es das innovativste Opernhaus der Stadt, mit herausragenden Inszenierungen und bedeutenden Ausgrabungen, etwa den zahlreichen Operettenschätzen verdrängter jüdischer Komponisten. Und es ist nicht nur künstlerisch erfolgreich, sondern auch höchst populär: über 90 Prozent Auslastung, das Publikum ist ein Querschnitt durch alle Schichten der Bevölkerung, der Inbegriff von „divers“.

Ruth Brauer-Kvam spielt im Musical "Chicago", hinter ihr Tänzerinnen in Dessous mit roten Burlesque-Federfächern
Besonders erfolgreich an der Komischen Oper sind Neuinszenierungen Berliner Operetten und von Musical-Klassikern. Ein Highlight der vergangenen Spielzeit war Barrie Koskys Adaption des Broadway-Musicals „Chicago“.

„Keine Denkverbote!“ rufen kostet nichts

Eins ist ja richtig: Mit öffentlichem Geld muss verantwortungsvoll umgegangen werden, nicht nur in finanziell schwierigen Zeiten. 450 Millionen, wie für die Sanierung veranschlagt, sind eine Menge Schotter. Und gerade in Berlin laufen Projekte ja auch gern mal aus dem Ruder. 

Aber dann wäre es die Aufgabe der Politik, hier aktiv zu managen und Auswüchsen vorzubeugen. Stattdessen über einen Sanierungsstopp oder Hausverkauf zu fabulieren und damit Verunsicherung zu schüren und auch Anti-Kultur-Ressentiments, ist das Gegenteil von Verantwortung. Hoffen wir, dass dieses erratische Geplauder lediglich das ist, wonach es riecht: Aktivitäts-Simulation, um sich selbst für die Galerie als kernige Sparmeister darzustellen.

Logo der Komischen Oper als Aufsteller vor dem ehemaligen Schillertheater, das aktuell als Ausweichspielstätte dient.
Aktuell gastiert die Komische Oper im ehemaligen Schillertheater in Berlin-Charlottenburg. Bis 1993 gehörte das Theater zu den Schauspielbühnen der Hauptstadt, wurde aber wegen der schlechten finanziellen Lage der Stadt geschlossen. Ergeht es nun der Komischen Oper ähnlich?

„Keine Denkverbote!“ zu rufen, das kostet nichts. Schaden kann man aber auch mit bloßem Geschwätz anrichten, selbst wenn es ohne konkrete Folgen bleibt. Insofern ist der Aufschrei, der gerade durch die Berliner Kulturszene und durch die ganze Opernwelt geht, vollauf berechtigt. Diese Opernsau des Berliner Senats sollte als Bettvorleger enden.

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