Das Theater Koblenz weicht wegen Sanierung auf Ersatzspielstätten aus. Auf der Festung Ehrenbreitstein findet im neuen Theaterzelt die Revue „A Song for Koblenz“ statt. Das Ensemble bietet eine Show, die wie Balsam für die Seele sein soll und gleichzeitig unbequeme Themen behandelt.
Get this party started
Von Anfang an ist das Theater ein Partyzelt. Alles ist eingetaucht in flackerndes blaues Licht unter einer Discokugel. Musical-Star Adrian Becker covert „Get this Party started“ von Pink und reißt das Ensemble mit.
Das Show-Pferd auspacken
Solistin Isabel Mascarenhas hat für diesen Abend umgesattelt – von Schauspiel auf Musical: „Ich hab diesen Show-Charakter von Adrian Becker gelernt. Er ist ja ein altes Show-Pferd, hat früher auch im Friedrichstadt-Palast gesungen, da kann man sich viel abgucken. Wir singenden Schauspieler spielen ja sehr viel in der Rolle, aber hier kann man das Show-Pferd auspacken und das macht einen Riesenspaß.“
Wein oder Nichtsein
Der Musical-Hit „The Lady is a Tramp“ war ihr Herzenswunsch, den sie sich im Duett mit Schauspielkollege Bruno Lehan erfüllt. Zu jedem Auftritt schlüpft sie in ein neues Glitzerkleid, dazu relaxte Begleitung der Band, unter Karsten Huschke am weißen Flügel.
Über der Bar, neben der Garderobe, steht in Leuchtbuchstaben die launige Frage „Wein oder Nichtsein.“ Will das Theater Koblenz nur Zerstreuung in stressigen Zeiten bieten?
Balsam für die Seele in der Vorweihnachtszeit
Moderator und Sänger Adrian Becker: „Ich wollte kein Programm machen, auf das man mit dem Zeigefinger zeigt und den Finger in die Wunde legt. Ich finde, gerade jetzt, in dieser Vorweihnachtszeit und zum Jahreswechsel, ist es schön, wenn es ein bisschen Balsam für die Seele gibt.“
Provinz-Diva mit Samtkissen
Einmal wird bei „A Song for Koblenz“ auch hohe Kulturpolitik verhandelt: Adrian Becker gibt die Provinz-Diva – in hohen Stiefeln und Paillettenhemd.
Seinen Traum, so wie die großen Stars, am Ende das Mikrofon auf den Boden zu schmeißen, verbietet ihm aber der Theater-Intendant – mit Blick auf den angespannten Kulturhaushalt der Koblenzer. Die Lösung ist ein Samtkissen, auf das der Sänger das Mikro plumpsen lässt.
Erosion in Metropolen
Intendant Markus Dietze: „Der Song ist ja von Katharine Mehrling, also einer der großen Berliner Chansondiven unserer Zeit. Es ist schon interessant, bedenklich und schrecklich, dass in der öffentlichen Kulturfinanzierung der Metropolen, also in München und Berlin, so eine Erosion einsetzt.
Wir haben immer gedacht, das passiert als erstes in den kleinen und mittleren Städten, wo tatsächlich Stadträte darum kämpfen, dass Etats funktionieren, wie hier in Koblenz zum Beispiel – was erfolgreich geklappt hat. Wir haben auch eine Kürzung, die ist aber verkraftbar und vor allem ist sie mit uns besprochen.“
Wünsche und Zwänge
Auch in dieser besonderen Revue wird viel gesprochen, besser: geplaudert über Wünsche und Zwänge für den Stadttheaterbetrieb im Provisorium. Die Moderatoren Dietze und Becker überziehen um eine halbe Stunde. So müssen am Ende alle schnell raus aus dem Theaterzelt auf der Festung Ehrenbreitstein. Denn um 22 Uhr geht die letzte Seilbahn übern Rhein runter in die Innenstadt. Ab dann muss auf dem Berg auch Ruhe herrschen, wegen lärmsensibler Anwohner in der Nachbarschaft.
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