Moderne Inszenierung am Badischen Staatstheater Karlsruhe

„Der Sturm, mein Lieblingswetter“: Shakespeares Stück angesiedelt in matriarchaler Gesellschaft

Stand
Autor/in
Marie-Dominique Wetzel

Shakespeares letztes Theaterstück „Der Sturm, mein Lieblingswetter“ versammelt zentrale Themen der Gegenwart. Vor allem aber entwirft es eine Welt an der Grenze zwischen Traum und Realität. In ihrer Bearbeitung für das Badische Staatstheater siedelt Ariane Koch das Stück in einer weiblich dominierten Gesellschaft an.

Eigentlich hatte das Badische Staatstheater die Theaterautorin Ariane Koch lediglich gebeten, eine neue Übersetzung von William Shakespeares „Sturm“ zu erarbeiten – herausgekommen ist eine modernisierte Fassung dieses romantischen Dramas.

Altes Stück, neu aufgearbeitet

Shakespeares grundlegende Fragen nach Macht und Unterdrückung, Rache und Vergebung sind geblieben – aber es wurden auch neue Themen wie Massentourismus und Klimawandel in das „Zauberlustspiel“ eingefügt und die wichtigsten Figuren des Stücks wurden weiblich besetzt.

Bühnenszene aus: Der Sturm, mein Lieblingswetter
Swana Rode (Ariel, Luftgeist), Claudia Hübschmann (Gonz, queenlicher Rat), Leonard Dick (Mir, Prosperundas Sohn / Ant, Prosperundas Schwester), Jeanne-Marie Bertram (Kapitänin / Seb, Queens Schwester / Cere, Geist) und Antonia Mohr (Queen). Bild in Detailansicht öffnen
Bühnenszene aus: Der Sturm, mein Lieblingswetter
Swana Rode (Ariel, Luftgeist) und Emma Suthe (Fe, Queens Tochter). Bild in Detailansicht öffnen
Jeanne-Marie Bertram, Antonia Mohr, Swana Rode, Leonard Dick
Jeanne-Marie Bertram (Kapitänin / Seb, Queens Schwester / Cere, Geist), Antonia Mohr (Queen), Swana Rode (Ariel, Luftgeist) und Leonard Dick (Mir, Prosperundas Sohn). Bild in Detailansicht öffnen
Bühnenszene aus: Der Sturm, mein Lieblingswetter
Leonard Dick (Mir, Prosperundas Sohn), Emma Suthe (Fe, Queens Tochter), Antonia Mohr (Queen), Jeanne-Marie Bertram (Kapitänin / Seb, Queens Schwester / Cere, Geist), Claudia Hübschmann (Gonz, queenlicher Rat), Nina Schopka (Prosperunda). Bild in Detailansicht öffnen


Mühsam klammern sich die Kapitänin und ihre illustren Passagiere an der Reling fest. Eigentlich wollte die Queen mit ihrer Entourage auf ihrer Luxus-Yacht Party machen, doch ein mächtiger Sturm treibt sie auf eine Insel zu.


Prosperunda verbittert und rachsüchtig

Kein Zufall! Denn auf der Insel lebt Prosperunda, die ihre Zauberkräfte bemüht und ihren treuen Diener, den Luftgeist Ariel losgeschickt hat.

Ariel, Luftgeist
Swana Rode als Ariel, Luftgeist.


Prosperunda will Rache an der Queen und ihrer Clique üben. Denn die haben sie vor vielen Jahren entmachtet und aus dem Land gejagt. Prosperunda stapft mit Stiefeln und Nietengürtel über die verhasste Insel. Sie ist verbittert und herrschsüchtig.

Prosperundas Sohn will sich nicht bevormunden lassen

Doch langsam entgleitet ihr die Macht über die anderen: ihr pubertierender Sohn, der es satt hat, von ihr bevormundet zu werden, verliebt sich in die gestrandete Tochter der Queen und möchte auf der Insel mit ihr ökologischen Weinbau betreiben.

Nina Schopka, Swana Rode
Nina Schopka (Prosperunda, die Zauberin / Autorin im Exil) und Swana Rode (Ariel, Luftgeist).

Anspielungen auf Kolonialzeit schon bei bei Shakespeare

Der Luftgeist Ariel will nach vielen Jahren treuer Dienste endlich frei sein und die Ureinwohnerin der Insel, Canibalé, begehrt ebenfalls auf und fordert die Herrschaft über ihre Insel zurück.
Immer wieder tauchen in der Neufassung von Ariane Koch Anspielungen auf Kolonialherrschaft und Ausbeutung auf. Die waren jedoch bereits bei Shakespeare angelegt – denn als sein Drama 1611 uraufgeführt wurde, war England bereits auf dem Weg zur Kolonialmacht.

Alte weiße Frauen, statt alter weißer Männer

Dass die Ureinwohnerin Canibalé allerdings vorhat, aus ihrer Insel ein Ziel für Massentourismus zu machen, ist eine Idee der Neufassung von Ariane Koch. Dass die Autorin die Hauptfiguren aus Shakespeares „Sturm“ weiblich besetzt, ist dagegen nicht neu.

Man denke nur an die Verfilmung mit Helen Mirren als Prospera. Es ändert an der Handlung eigentlich auch nichts. Statt alter weißer Männer, sind es eben alte weiße Frauen, die nur an sich selbst und ihren Machterhalt denken. So schwärmt Prosperunda ihrem Sohn von ihrem früheren Leben und ihren Privilegien vor.

Spiel um Zauberei, Traum und Wirklichkeit


Die Regisseurin Simone Blattner versetzt das Geschehen in eine märchenhafte Szenerie, aus der die Schauspielerinnen allerdings immer wieder links und rechts der Bühne heraustreten, so dass das Spiel um Zauberei, Traum und Wirklichkeit jederzeit sichtbar bleibt.

Prosperunda, die Zauberin  Autorin im Exil
Nina Schopka (Prosperunda, die Zauberin / Autorin im Exil).

Humor kommt nicht bei allen an

Die zahlreichen komödiantischen Stellen kosten die Schauspielerinnen voll aus. Aber der Humor will nicht so recht zünden und so bleibt es im Zuschauerraum ziemlich still. Als Prosperunda am Ende Frieden mit ihren Widersacherinnen schließt und mit ihnen zurück aufs Festland will, schlägt allerdings die Natur zurück und ein Sturm, den diesmal niemand bestellt hat, fegt auf die Insel zu.

Claudia Hübschmann, Antonia Mohr, Emma Suthe
Claudia Hübschmann (Gonz, queenlicher Rat / Die eine Partynudel / Tri / lri, Geist), Antonia Mohr (Queen, genannt auch Queen of Passports / Calibané, selbsternannte Präsidentin der Insel) und Emma Suthe (Fe, Queens Tochter / Die andere Partynudel / Ste).

In Zeiten des Klimawandels haben Stürme eben eine ganz neue Dimension. Vielleicht wäre es deswegen auch angebracht, statt Neufassungen von Klassikern, die mühsam versuchen, ihnen aktuelle Themen einzuschreiben, ganz neue, wirklich zeitgenössische Stücke in Auftrag zu geben.

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Marie-Dominique Wetzel