Das Bundesjugendorchester ist auf Sommertournee, mit Beethovens Neunter und einem neuen Werk des Star-Komponisten Tan Dun. International berühmt geworden ist Tan Dun unter anderem mit seiner Musik zum Blockbuster „Tiger and Dragon“. In seinen Werken verbindet er westliche und östliche Klangwelten.
Einblick in neue Klangvorstellungen
Moritz aus Tuttlingen hat ein Glitzern in den Augen. Das Stück von Tan Dun begeistert ihn regelrecht, hier mache er Sachen, die man nie im klassischen Orchester machen könne: andere Spieltechniken, die wieder neue Klangvorstellungen preisgeben, erklärt der 18-Jährige. Er ist einer von fünf Schlagzeugerinnen und Schlagzeugern des Bundesjugendorchesters.
Klickende Steine wie Tränen, Taiko-Trommeln wie Herzschläge. Dazu Anklänge an Beethoven, die wie ins Universum hinausschweben. Tan Dun such in seinem „Choral Concerto Nine“ eine allgemeingültige Freiheit.
Das Werk schlägt eine Brücke zwischen Okzident und Orient, zwischen „Ode an die Freude“ und jahrtausendealter chinesischer Philosophie. Er sei auf der Suche gewesen nach einer Wahrheit, die für alle Menschen auf der Welt gültig ist, ohne Einschränkung, erklärt der Komponist Tan Dun.
Auf der Suche nach einer grenzenlosen Sprache
„Es gibt eine Menge Grenzen“, sagt der chinesische Komponist. „Die Kultur hat Grenzen, die Philosophie hat Grenzen. Aber es gibt Dinge, die absolut keine Grenzen haben: zum Beispiel die Natur, dann die Musik, die Künste und die Wissenschaften. Als ich also mein Chorkonzert geschrieben habe, war mein erster Gedanke, eine globale, gemeinsame, grenzenlose Sprache zu verwenden, die nur von unserer Einsicht, unserer Hoffnung und unserer Liebe spricht.“
Tan Dun hat dafür nicht weniger getan als Klangsilben zu erfinden, die garantiert in keiner Sprache der Welt eine Bedeutung haben. Und wer könnte sie passender artikulieren als der Weltjugendchor – ein Chorprojekt mit Jugendlichen aus 43 Nationen, das in diesem Jahr in Deutschland stattfindet.
Länderübergreifend Beethovens „Ode an die Freude“ gemeinsam zu singen, hat für die westliche Klassikkultur größte Bedeutung. Tan Duns Chorkonzert geht sogar darüber hinaus.
Tan Duns „Water Concerto“ mit dem Münchner Rundfunkorchester
Beethovens Neunte trifft chinesische Pentatonik
„Tan Duns Stück ist sehr interessant“, sagt etwa Tiffany aus Hongkong, „weil er ja Beethovens Neunte Sinfonie als Material nimmt und sie weiterentwickelt. Zum Beispiel fügt er chinesische pentatonische Skalen ein. Die Perkussion macht Spaß, vor allem das Ende ist so voller Energie – ganz genau wie in der Sinfonie.“
Die knapp 80 Sängerinnen und Sänger bringen alle ihr eigenes musikalisches Idiom mit. Bei der Arbeit ist genau zu beobachten, wer welche Stimmtechniken schon kennt.
Beim ersten Treffen habe Tan Dun den Sängerinnen und Sängern erklärt, wie Obertongesang funktioniert, erinnert sich Tiffany: „Das ist eigentlich eine Improvisation. Wir müssen ganz nasal singen, damit das funktioniert.“
„Nur Laotse kann erklären, was Beethoven meint“
An allen Probentagen und natürlich auch in den Konzerten arbeiten die insgesamt 182 jungen Künstlerinnen und Künstler abwechselnd an Tan Duns Chorkonzert „Nine“ und Beethovens Neunter Sinfonie. Die Solisten der „Ode an die Freunde“ sind vier ehemalige Sängerinnen und Sänger des World Youth Choir. Einer von ihnen ist der Bass Johannes Schendel.
Für ihn sei es ein ziemlicher Flashback, sagt Schendel. Denn vor zwanzig Jahren habe er selbst im Chor gesessen: „Das ganze Gefühl dort, die Welt macht einen Riesensprung, wenn man in so ein Projekt kommt.“
Sich selbst und die eigene Künstlerpersönlichkeit weiterentwickeln, dieses Ziel haben Bundesjugendorchester und Weltjugendchor gleichermaßen für ihre Jugendlichen vor Augen. Tan Dun fasst dafür die über 2000 Jahre alte Philosophie von Laotse in Musik. Yin und Yang, alles ist eins, unendlich und frei.
Tan Dun über Beethovens Neunte (Englisch)
„Die Message ist eindeutig und sehr authentisch.“
Die Tauberphilharmonie Weikersheim feiert mit der öffentlichen Generalprobe des Projektes ihr fünfjähriges Bestehen – als Ermöglicherin von visionärer Hochkultur im ländlichen Raum. Eine Sternstunde reist nun von hier aus in die Welt.
Bundesjugendorchester und World Youth Choir konzertieren ab morgen unter anderem im Concertgebouw Amsterdam, in der Hamburger Elbphilharmonie oder der Berliner Gedächtniskirche und schließlich beim Beethovenfest Bonn, wo das Projekt 2020 der Pandemie zum Opfer gefallen ist.
Seither sei es gereift, sagt BJO-Orchesterdirektor Sönke Lenz: „Ich glaube, für diese beethovensche, schillerische Botschaft gibt es keine bessere Konstellation als junge Menschen aus Deutschland und aus der ganzen Welt. Und ich glaube, das ist auch das, was viele der Veranstalter, mit denen wir diesmal zusammenarbeiten dürfen, einfach davon überzeugt haben. Die Message ist eindeutig und sehr authentisch.“
Tan Dun und Beethoven
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