SWR2 lesenswert Kritik

Susanne Stephan – Der Held und seine Heizung. Brennstoffe der Literatur

Stand
Autor/in
Thomas Combrink

Energie sparen und Heizkosten reduzieren sind Schlagworte, die seit Monaten unseren Alltag bestimmen. Susanne Stephan hat die Geschichte der Brennstoffe in Literatur und Philosophie untersucht.

Susanne Stephan untersucht in ihrem Buch „Der Held und seine Heizung. Brennstoffe der Literatur“ vor allem poetische Aspekte rund um die künstliche Erzeugung von Wärme. Sie geht zurück bis zu den Untersuchungen von Hermann Parzinger. Der Archäologe sieht das Feuer als Ort an, an dem die Sprache und das Erzählen sich entwickelten.

Stephan bezieht sich auf Texte von Schriftstellern und Denkern seit dem 17. Jahrhundert und schildert den Fortschritt der technischen Entwicklung. Dabei spielen unter anderem Descartes, Goethe, aber auch Upton Sinclair oder H. G. Wells eine Rolle.

Ihre Untersuchung ist kenntnisreich; gründlich hat die Autorin in der Geschichte der Literatur und Philosophie nach den Motiven Wärme und Energie geforscht. Zur Aktualität ihrer Untersuchung schreibt Susanne Stephan:

„Ins Bewusstsein dringen die heute wesentlichen Brennstoffe erst, als plötzlich Mangel herrscht und eine spürbare Verteuerung einsetzt. Auf einmal wird erkennbar, welche Kraft- und Treibstoffe unsere Lebensweise, auch die digitalen Räume, tragen.“

Lesenswert ist der Band, weil die Autorin ihre Themen mit literarischen Mitteln darstellt. Es ist der Wechsel zwischen sprunghafter Assoziation, klarer Argumentation und einfacher Nacherzählung von Fakten, der die Sprache auszeichnet.

Die 1963 in Aachen geborene Verfasserin ist Schriftstellerin. Sie schreibt über Wärme in einem konkreten und in einem übertragenen Sinn. Im Zentrum steht die Frage, wie unsere Vorfahren ihre Häuser geheizt haben; gleichzeitig geht es um das Innenleben der Menschen, um die Energie, mit der sie ihre Pläne vorangetrieben haben.

Susanne Stephan schildert die Energieträger, mit denen Strom erzeugt wird, vor allem die Steinkohle und die Atomenergie. Sie übersetzt die Elektrizität ins Metaphorische und spricht vom Strom des Erzählens. Das Thema Energiegewinnung gehörte tatsächlich für einige Literaten zur täglichen Beschäftigung:

„Manche Schriftsteller hatten bereits beruflich mit realenergetischen Fragen zu tun: etwa Friedrich von Hardenberg/Novalis, der Ende des 18. Jahrhunderts Brennstoffe für die sächsischen Salinen beschaffen musste, und Wolfgang Hilbig, der in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts als Heizer an Braunkohlekesseln stand. Oder Andrej Platonow, der Anfang der 1920er Jahre an der Elektrifizierung russischer Dörfer arbeitete ...“

Auch Johann Wolfgang von Goethe ist Thema der Studie. Als Bergbauminister im Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach lässt er nach Kohle suchen. Anschaulich schildert die Autorin den Holzmangel des 18. Jahrhunderts. Sie beschreibt den Wechsel zur Steinkohle als zentralen Energieträger.

Georg Christoph Lichtenberg kritisiert das Fällen von Eichen und Buchen für den Heizbedarf. Irrtümlich geht er von der Existenz des Phlogistons aus, einer Substanz, die bei der Verbrennung für die Wärme verantwortlich sein soll. Manchmal verliert die Erzählung ihren Schwung durch den aufzählenden Charakter, durch den reihenden Gestus, mit dem die Motive des Brennstoffs in der Literatur dargestellt werden.

Im Gegensatz zum Kamin steht der Ofen. Der verteilt die Wärme besser im Raum und unterbindet die Rauchentwicklung im Zimmer. Die Flammen aber sind eingesperrt und unsichtbar.

Descartes war ein Anhänger des Kachelofens. In seiner Schrift „Abhandlung über die Methode“ erwähnt er Deutschland als Entstehungsort seiner Ideen; er beschreibt die Wärme im Zimmer, die durch einen Kachelofen hervorgerufen wurde.

„Sicher kann man Descartes als einen ‚Helden‘ der Philosophie bezeichnen, da er gegen Widerstände – seiner Familie, der Kirche und der universitären Lehre – einen radikal neuen Weg einschlug, indem er sich als Subjekt denkend umkreiste und neue ‚Methoden‘ des Denkens erprobte. Und die von ihm nicht nur ausdrücklich bevorzugte, sondern auch seine Gedankenarbeit dezent befeuernde Heizung war der effizient Holz in Wärme verwandelnde Kachelofen.“

„Ich denke, also bin ich“ lautet die berühmte Erkenntnis von René Descartes. Nach der Lektüre von „Der Held und seine Heizung“ bezieht man diesen Satz auch auf die Wärme eines Kachelofens.

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