Buch von „Zentrum für politische Schönheit“-Gründer

Plädoyer für ein AfD-Verbot: „Es ist fünf vor 1933“ von Philipp Ruch

Stand
Autor/in
Eva Marburg

Philipp Ruch, Kopf des Künstlerkollektivs „Zentrum für politische Schönheit“ ist ein unermüdlicher Kämpfer gegen Rechtsextremismus. Mit seinem Buch „Es ist fünf vor 1933. Was die AfD vorhat und wie wir sie stoppen“ legt er nun ein Plädoyer für ein AfD-Verbotsverfahren vor.

Dieses Buch macht einem Angst und das soll es auch. Denn Philipp Ruch will, dass endgültig Schluss ist mit der Verharmlosungsrhetorik und bürgerlichen Kapitulationsbereitschaft gegenüber der AfD.

Der Politik und der Medienlandschaft wirft der Gründer des „Zentrum für politische Schönheit“ seit dem Einzug der AfD in den Bundestag Versagen vor. Statt sie zu bekämpfen, habe man sie und ihre Themen groß gemacht. 

Chat-Protokolle und öffentliche Reden als Beweise für Verfassungsfeindlichkeit

Das „Zeitalter der Verantwortungslosigkeit“ müsse nun abgelöst werden von einer Zeit, die in der verfassungsfeindlichen AfD das sieht, was sie sei: eine gewaltvolle Zerstörerin der Demokratie. Das Buch „Es ist fünf vor 1933. Was die AfD vorhat und wie wir sie stoppen“ ist ein entschlossenes Plädoyer für ein Verbotsverfahren gegen die AfD.

Und für diejenigen, die – so wie Bundeskanzler Olaf Scholz – die AfD als Partei der „schlechten Laune“ belächelten, stellt Ruch ein ausführliches Beweismittelpaket zusammen.

Er zitiert aus bekannt gewordenen Chats, Videos und Mailwechseln, beruft sich aber auch auf Parteitage und öffentlich gehaltene Reden. Denn die AfD liefere die Beweise für ihre Verfassungsfeindlichkeit frei Haus, so Ruch.

Wie ein Bericht aus der Nazi-Hölle

Das zusammengetragene Material liest sich wie ein Bericht aus der Nazi-Hölle: Abgeordnete mit Hinrichtungs-, Vergasungs- und Alle-an-die-Wand-stellen-Fantasien. Abgeordnete, die Hausverbot im Bundestag haben, als Terroristinnen in Gefängnissen sitzen, in ihren Landtagsbüros Waffen horten sowie die mehr als hundert Bundestagsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter aus rechtsextremen Kreisen, die laut Chatprotokollen für Krieg, Vernichtung und Massenerschießungen in den Startlöchern stehen.     

Philipp Ruch fordert dazu auf, die Aussagen der AfD bitterernst zu nehmen. Dass es in dieser Partei irgendwo ein gemäßigtes Vernunftslager gäbe, entlarvt er als bürgerliches Wunschdenken und Überheblichkeit. 

Hassbotschaften und Fake-News im Netz

Immer wieder dient Ruch der Untergang der Weimarer Republik als Vergleichsfolie, denn er meint, dass diese sich der NSDAP mit mehr kämpferischer Entschlossenheit in den Weg gestellt habe, als es die Politik heute zu tun bereit sei.  

Eine Erklärung sieht Ruch in einer Gewaltakzeptanz der bürgerlichen Mitte, solange sich diese Gewalt gegen Minderheiten richtete.

Von Steuergeldern finanziert, ballere die AfD in einem bestens ausgebauten Social-Media-Netzwerk ihre Hassbotschaften, Fake-News und feindseligen Parolen heraus. Und findet dafür ein Publikum.

Kluge Argumentation, leidenschaftlich vorgetragen

Philipp Ruch kämpft in seinem Buch leidenschaftlich gegen die AfD. Er argumentiert klug und sogar unterhaltend. Die Abwehr von Faschismus sei Staatsauftrag, so der Autor. Im Kampf etwa gegen die RAF habe man auch nicht zu Lichterkettenumzügen aufgerufen.

Eine offen verfassungsfeindliche Partei hat, das macht das Buch überzeugend deutlich, in demokratischen Einrichtungen nichts zu suchen. Genauso wenig wie eine Partei der Kannibalen oder der Drogendealer, sagt Ruch. Das gibt das Grundgesetz einfach nicht her. Es heiße oft, so schließt der Autor, ein Parteiverbot könne scheitern. Die Demokratie aber auch.  

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Die Zahl derjenigen, die ein geschlossen rechtsextremes Weltbild besitzen, habe sich in den letzten zwei Jahren verdreifacht, sagt Beate Küpper, Sozialpsychologin und Mitautorin der "Mitte-Studie 2023" der Friedrich Ebert Stiftung. Das sei ein massiver Anstieg und hinzu kommen weitere zwanzig Prozent der Befragten, die sich in einem Grau-Bereich befänden, also den Aussagen der Studie weder zustimmen, sie aber auch nicht ablehnen, so die Mitautorin der Studie.
Besonders bei den Wählern der AfD sei ein rechtsextremes Weltbild sehr stark verbreitet, sodass man davon ausgehen müsse, dass die Wählerinnen und Wähler ausdrücklich das meinen und wählen was die Partei ihnen als Themen anbiete. Auch umgekehrt muss man sagen, dass die AfD die Themen vertritt, die den Einstellungen ihrer Wählerschaft entsprechen und das wären insbesondere Fremdenfeindlichkeit und Nationalchauvinismus, sagt Beate Küpper und warnt davor, die Zustimmung zur AfD als Protest anzusehen.
Zu dem eklatanten Anstieg in der Zustimmung zu rechten Haltungen meint Küpper: "Ich gehöre nicht zu denjenigen, die alarmistisch unterwegs sind, aber ehrlich gesagt, bereitet mir das Sorgen, vor allem wenn wir uns den großen Graubereich ansehen. Hier müssen wir leider sehen, dass wir es mit einer Normalisierung zu tun haben, bei der Menschen nicht mehr erschrecken, wenn sie antidemokratische Positionen hören oder sie mit Abwertung, Hass und Hetze konfrontiert sind." Die Normen der Grundwerte einer Demokratie, die auf Empathie, Akzeptanz und Toleranz beruhen, würden dadurch aufgelöst.
Politisch sei jetzt "Schutz, Einbindung und Rückendeckung für diejenigen geboten, die unmittelbar bedroht sind", fordert Küpper als Konsequenz aus der Studie. Nicht die Sorgen der sogenannten "Wutbürger" ernst nehmen, sondern die Ängste derjenigen vielen, die Sorge haben, dass ihnen die "Demokratie unter den Händen zerbröselt".

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Eva Marburg