Neue Stadtschreiberin von Mainz

Schreibende Flaneurin - Die Schriftstellerin Annett Gröschner macht Städte zu Protagonisten

Stand

Berlin hat schon häufig im vielfältigen Werk von Annett Gröschner die Hauptrolle übernommen. Doch auch ihre Geburtsstadt Magdeburg war schon Schauplatz ihrer Romane. Jetzt wird sie Stadtschreiberin von Mainz.

Städte als Inspiration

Annett Gröschner hat sich schon oft von Städten inspirieren lassen. Sie lässt sich treiben, bis etwas ihre Aufmerksamkeit nicht mehr loslässt. Gut möglich, dass Mainz die nächste Inspirationsquelle wird, wenn sie im April dort ihr Stadtschreiberamt antritt. Ein Wermutstropfen: In Mainz gibt es keine Straßenbahn mit der Nummer 4. Annett Gröschner mag öffentliche Verkehrsmittel, vor allem Straßenbahnen. Die Nummer 4 hat sie schon in Rotterdam oder Helsinki benutzt.

Bisher hat jeder Ort, an dem ich gewesen bin, Spuren in meinem Werk hinterlassen.

An Städten interessieren sie besonders die Architektur und die Pflanzen, aber auch, in welchen Verhältnissen die Menschen dort leben. Wo ist die Stadt durchlässig oder gibt es Bereiche, in denen man ein bestimmtes Aussehen braucht, um dort zu sein? Wie fühlt es sich an, nachts allein als Frau unterwegs zu sein?

Annett Gröschner
Annett Gröschner will herausfinden, wie viele Freiheiten eine Stadt bietet.

Von Magdeburg nach Berlin

Annett Gröschner, 1964 in Magdeburg geboren, kam mit 19 nach Berlin, um dort zu studieren. Das bedeutete große Freiheit für sie - und auch heute noch genießt sie die Möglichkeiten der Großstadt, die Anonymität. Ihren ersten Roman siedelte sie dennoch in ihrer Geburtsstadt an. In „Moskauer Eis“ erzählt sie die Geschichte einer Familie von Gefrierforschern. Es sei ihr Vaterroman, sagt Annett Gröschner. Der Vater in der Geschichte liegt tot in einer Gefriertruhe, die er einst selbst mitentwickelt hat.

Der skurrile zweite Roman

Auch in ihrem zweiten Roman „Walpurgistag“ wird er immer noch in dieser Gefriertruhe liegen, wohl behütet von der Tochter. Zu ihnen gesellen sich viele weitere Menschen, diesmal in Berlin, deren Wege sich an einem einzigen und einer einzigen Nacht kreuzen.

Fast ein ganzes Jahrhundert

„Schwebende Lasten“, Annett Gröschners dritter Roman, der Mutterroman, ist sehr viel ernsthafter angelegt, erzählt er doch das Leben von Hanna Krause, die fast das gesamte 20. Jahrhundert in Magdeburg erlebt. Sie ist eine stille Kämpferin, bringt sich und ihre Familie durch zwei Diktaturen. In Hanna Krause steckt auch viel von Annett Gröschner selbst – wie in allen ihren Figuren.

Ich bin immer teilnehmende Beobachterin. Ich gucke mir alles genau an und schreibe dann darüber.

Romane zu schreiben ist für Annett Gröschner allerdings ein langwieriges Geschäft. Sie habe kein Sitzfleisch, müsse immer zwischendurch etwas anderes machen. Sie sei eine interdisziplinäre Schriftstellerin, die gerne mit anderen zusammenarbeite. So stand sie bereits mit der Performancegruppe She She Pop auf der Bühne, arbeitete an Ausstellungen mit, war Dozentin an der Universität Hildesheim und recherchierte Themen, die ihr bei ihren Streifzügen ins Auge gefallen sind. Diese wird sie nun in Mainz fortsetzen.

Reportage Jenseits von Ideologie und Ostalgie: Annett Gröschners neuer Roman „Schwebende Lasten"

Annett Gröschner erzählt wirklichkeitssatt von einer Magdeburger Arbeiterin, die vor allem eines bleiben wollte: anständig. Eine Reportage von Corinne Orlowski

Neuer Roman „Wild nach einem wilden Traum“ Julia Schoch blickt zurück auf ihre Zeit als Mainzer Stadtschreiberin

Die Schriftstellerin Julia Schoch legt zum Abschluss ihrer Zeit als Stadtschreiberin der Stadt Mainz einen neuen Roman vor: „Wild nach einem wilden Traum". Es ist gleichzeitig der Abschluss der autofiktionalen Trilogie „Biographie einer Frau" über eine Schriftstellerin. In dem Buch geht es um eine wilde Liebesaffäre, aber auch um literarisches Schreiben und wie sich darin Erleben und Erinnern gegenseitig beeinflussen.
Schreiben aus der Erinnerung
Julia Schoch notiert ihre Erlebnisse nicht dokumentarisch. Ihr ist es wichtig, dass zwischen dem Erleben und dem Schreiben über ein Ereignis ausreichend Zeit vergeht: „Das ist für mich ein Prozess, der sehr lange dauert. Erst die Erinnerung zeigt eigentlich, was erzählenswürdig ist. Und das entspricht natürlich nie der dokumentarischen Wirklichkeit." Für Julia Schoch ist das Vergessen eine Voraussetzung dafür, Geschichten neu erfinden zu können.
Film zum Buch
Das ZDF hat einen Film über Julia Schoch und das Ende ihrer Zeit als Stadtschreiberin produziert. dafür hat die Autorin ein Interview mit sich selbst geschrieben. Dabei spielt der Tatort–Darsteller Jörg Hartmann die Autorin. „Vor der Kamera in einem Interview fängt man ja automatisch an zu schauspielern. Da habe ich mir gedacht, ich nehme gleich jemanden, der das kann".

Mainz

Jörg Hartmann als ihr Alter Ego Mainzer Stadtschreiberin Julia Schoch stellt eigenen Kurzfilm vor

Die Schriftstellerin Julia Schoch hat als Stadtschreiberin von Mainz einen Film produziert: „Bitte um Rückruf“. Entstanden ist ein außergewöhnliches Selbstporträt.

Literatur Feine Antennen für die Geschichten des Lebens: Die Ludwigsburger Stadtschreiberin Lucia Leidenfrost

Für das Stadtschreiberstipendium in Ludwigsburg hat sich Lucia Leidenfrost zwei Monate lang mit dem Thema „Gefängnis“ beschäftigt. Verantwortung, Schuld, Trauer spielen in ihren eine große Rolle.