Kann ein Buch höchst anregend, kenntnisreich und klug sein, zugleich aber verwirrend und undurchdringlich wie ein Kraut-und-Rüben-Beet? Kann es. Patrick Bahners schreibt in „Die Wiederkehr“ über die AfD und den „neuen deutschen Nationalismus“, und man möchte diese voluminöse Erkundung einer rechtspopulistischen bzw. rechtsextremistischen Partei und des Zustands unserer Demokratie ebenso sehr empfehlen wie man sie zuweilen ärgerlich zur Seite legen möchte: „Die Wiederkehr“ gehorcht nicht unbedingt einer durchschaubaren Systematik, dafür aber vielen luziden Eingebungen, mit denen uns der Autor – von Beruf Feuilleton-Redakteur der FAZ – sprachlich meister- und sprunghaft in die Untiefen nationalistischen Denkens führt.
Am Anfang steht die Diagnose, dass der eigentlich begrabene deutsche Nationalismus just zu einem Zeitpunkt wiederkehrt, da mit ihm einfach nicht mehr zu rechnen war. In welcher Form er wiederkehrt, ob es sich dabei um etwas Überlebtes oder tatsächlich Modernisiertes handelt, das streift Bahners in seiner Studie immer wieder – wenn er sich etwa ausführlich mit dem unfassbar inhaltsleeren, aber anschlussfähigen Programm der AfD beschäftigt. Oder mit dem Tweed-Jackett-Träger Alexander Gauland, der noch zu Beginn der 90er Jahre in Büchern über Sinn und Zweck des Konservatismus sinnierte, um in hohem Alter zusammen mit einer Schar euroskeptischer Professoren den rechten Geist aus der Flasche zu lassen.
Gauland ist eine schillernde Figur, und Bahners interessiert sich für sie ganz besonders: Der AfD-Ehrenvorsitzende ist, so Bahners, „Stratege, Chefideologe und Repräsentant in einer Person“. Er stelle einen Habitus zur Schau, und darauf komme es besonders bei einer Partei an, deren Sache der Nationalismus sei, also – Zitat – „ein Amalgam aus Assoziationen, Bekenntnis und Ressentiment“. Dieses Amalgam auseinanderzunehmen, ist eine komplizierte Angelegenheit, und auch ein Scheitern daran kann aufs chlussreich sein: In den vielen Details, Zitaten, Referenzen, historischen Anspielungen, zeitgeschichtlichen Protagonisten, die Bahners auffährt, wird schemenhaft deutlich, worum es ihm geht.
Er will zeigen, worin die Gefährdung der Demokratie durch diese Partei besteht. An der AfD aber werde einem vor Augen geführt, dass die Mittel der nationalistischen Massenorganisation zur Demokratie dazugehörten.
„Diese Parteien verdienen, bekämpft zu werden, obwohl sie demokratisch sind“, schreibt Bahners.
Wie die Rechte innerhalb des Systems, das sie ablehnt, zu agieren versteht, demonstriert die Wahl des Ministerpräsidenten im Thüringer Landtag: Die Affäre um den Kurzzeit-Landesvater Thomas Kemmerich von der FDP, im Februar 2020 gewählt mit den Stimmen der AfD, ist ein politischer Gruselroman par Excellence.
Fast 100 Seiten widmet Bahners diesem erstaunlichen, augenöffnenden Fall – bis in die verschlungensten psychologischen und machtpolitischen Abgründe hinein, die sich an ihm ausleuchten lassen. Die Doppelstrategie der etablierten konservativen Parteien, die AfD einerseits zu bekämpfen, sie aber andererseits kopieren zu wollen und dadurch stärker zu machen, zeigt nicht zuletzt in Thüringen ihre Schwäche.
Wie lange sich nach diesem so genannten Dammbruch eine strikte Abgrenzungspolitik durchhalten lässt, das kann Bahners nicht beantworten. So einfach aber wird man die AfD nicht mehr los. Und den neuen Nationalismus ebenfalls nicht.
Was es mit dem auf sich hat, das erfährt man bei Bahners eher anekdotisch. Der Autor ist ein pointierter Stilist, aber kein strenger Analytiker. Ob er sich mit der Nähe zu Verschwörungstheorien oder dem Russland-Nexus der AfD beschäftigt – er liefert Gedankenblitze, aber keine leicht zu überprüfenden oder zu reproduzierenden Thesen.
Was am Ende bleibt, ist die Erkenntnis, dass dieser neue Nationalismus als „Nationalliberalismus“ zwar ein Hirngespinst ist, „eine Laune der Evolution“. Aber die „Lebensfähigkeit des Monsters“, warnt Bahners zurecht, dürfe nicht unterschätzt werden. Wie sagt man so schön: Die AfD ist ein ziemlicher Stresstest für die Demokratie. Und Bahners‘ Buch so etwas wie eine stressige Tour de Force, ein Close Reading der unheimlichen Zeichenproduktion der radikalen Rechten.