Literatur

Bücher für Kinder mit psychischen Erkrankungen – Claudia Gliemann: „Spieglein, sag: Wie ging es weiter?"

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AUTOR/IN
Kerstin Bachtler

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Alte Märchen neu erzählt

Psychische Erkrankungen nehmen deutschlandweit zu. Nach den Ergebnissen medizinischer Studien sind nicht nur Erwachsene von Burn-Out, Depressionen, Ängsten oder anderen Problemen betroffen, sondern auch Kinder und Jugendliche. 3,8 Millionen Kinder in Deutschland leben mit einem psychisch erkrankten Elternteil zusammen.

Die Autorin und Verlegerin Claudia Gliemann aus Karlsruhe will vor allem Jüngeren helfen, sich dem Thema psychische Erkrankung behutsam zu nähern. In ihren künstlerisch illustrierten Bilderbüchern erzählt sie bekannte Märchen neu und schafft damit für die Leserinnen und Leser eine Möglichkeit, sich zum Beispiel mit traumatischen Erfahrungen auseinanderzusetzen.

Für ihre bisherigen Bücher wurde Claudia Gliemann mehrfach ausgezeichnet. Jetzt sind zwei neue Bücher von ihr im Monterosa Verlag Karlsruhe erschienen.

Märchen als Beispiele für psychische Belastungen

Dreizehn Märchenfiguren sitzen zusammen und erzählen sich Geschichten aus ihrem Leben. Aschenputtel berichtet vom Mobbing durch ihre Stiefmutter und Stiefschwestern. Rotkäppchen macht sich Vorwürfe, dass sie zu auffällig gekleidet war und deshalb dem bösen Wolf aufgefallen ist.

Damit wird auf abstrakte Weise das Thema sexueller Kindesmissbrauch thematisiert. Am Beispiel von Schneewittchens Spiegel geht es um Essstörungen und eine gestörte Körperwahrnehmung.

Märchenfiguren als Experten für Krisenmanagement

Claudia Gliemann arbeitet bei ihren Büchern eng mit Psychologen zusammen. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ist es besser, wenn psychische Probleme thematisiert werden, ohne diese detailliert zu beschreiben. Damit soll verhindert werden, dass Kinder noch tiefer in ihre psychischen Probleme hineinrutschen, sich selbst die Schuld an ihrer Situation geben oder erneut traumatisiert werden.

„Es geht um Trauma und Traumafolgen. In der Psychologie und in der Psychotherapie wird ja auch ganz viel mit Märchen gearbeitet, und diese Märchenfiguren funktionieren für alle, da können sich Kinder identifizieren, aber auch Jugendliche und Erwachsene.", so Claudia Gliemann.

Ukrainische Psychologen nutzen Gliemanns Bücher bei der Therapie von traumatisierten Kindern

Rotkäppchen war bereits Thema ihres ersten Bilderbuches, es wurde in mehrere Sprachen übersetzt und wird mittlerweile unter anderem von Kinder- und Schulpsychologen in der Ukraine benutzt. In der Therapie helfen auch die Illustrationen, die Claudia Gliemann von Künstlerinnen gestalten lässt. Daneben will die Autorin und Verlegerin mit ihren Büchern auch praktische Hilfe leisten.

In ihrem Buch „Und plötzlich war Mama Königin“ kommen unter anderem Einrichtungen und Hilfsorganisationen zu Wort, im Anhang werden außerdem deren Adressen genannt, an die sich Kinder und Eltern wenden können. Die deutsche Depressionsliga, Krankenkassen und renommierte Psychologinnen unterstützen und empfehlen Claudia Gliemanns Bücher.

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