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Thomas Kunst: Zandschower Klinken

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Thomas Kunst, 1965 in Leipzig geboren, war bereits vor der Wende ein Dichter von einem mythischen Ruf. So jedenfalls kann man es in Lutz Seilers im vergangenen Jahr erschienenen Roman „Stern 111“ nachlesen, in dem der Ich-Erzähler, der selbst Schriftsteller werden möchte, eines Abends in Prenzlauer Berg plötzlich dem „großen Kunst“ gegenübersteht.

Der Autor ist in erster Linie Lyriker, doch hat er seit der Jahrtausendwende auch immer wieder Romane veröffentlicht, nun den ersten im Suhrkamp Verlag.

„Zandschower Klinken“ beginnt mit einem Aufbruch: Bengt Claasen nimmt das Halsband seiner verstorbenen Hündin aus der Kommode, in der es lag, und platziert es vorsichtig auf dem Armaturenbrett seines Autos. Dann fährt er los, vorsichtig, damit das Halsband nicht herunterfällt, denn an dem Ort, an dem das geschehen würde, würde er anhalten und ein neues Leben beginnen.

Es dauert nicht allzu lange, bis das Straßenpflaster in einem Dorf namens Zandschow die Entscheidung fällt, dass die Reise hier zu Ende ist, und von nun an verlassen wir endgültig den Boden des plotgetriebenen, realistischen Erzählens und befinden uns inmitten einer Dorfgemeinschaft, die nach eigenen Regeln und Gesetzen funktioniert. Dazwischen: Episoden, die an die Vergangenheit eines untergegangenen Landes anknüpfen.

Und immer wieder großartige Sätze: „Bengt Claasen hielt die Stellenangebote in seiner Region für beleidigende Vergeltungsmaßnahmen gegenüber den poetischen Bemühungen seiner dünnhäutigen, aber leidlich unakademischen Biographie.“ Ein Text, der einem immer wieder den sicheren Boden unter den Füßen wegzieht.

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Autor/in
SWR