Erfolgsformat in Deutschland

„Drag Race“ kommt nach Deutschland – Die Show, die Drag Queens zu Stars macht

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Autor/in
Dominic Konrad
Dominic Konrad, Autor und Redakteur bei SWR Kultur und SWR Musik

Endlich auch in Deutschland: Elf Kandidat*innen kämpfen ab dem 5. September bei Paramount Plus um die Krone der besten Drag Queen Deutschlands. In den USA ist „RuPaul’s Drag Race“ seit 15 Jahren ein Riesenerfolg und präsentierte dem großen TV-Publikum Drag als vielseitige Kunstform. Kann der internationale Erfolg auch in Deutschland punkten?

„Start your engines” für „Drag Race Germany“

„Start your engines”, sinngemäß: „Kommt in Fahrt”. So begrüßt der Moderator und weltberühmte Drag-Künstler RuPaul Charles sein Publikum in der Reality-Show „RuPaul’s Drag Race“ und ruft zugleich seine Kandidatinnen zur Modenschau auf den Runway.

Diese Queens mischen bei "Drag Race Germany" mit (Queen Ruveal) | Paramount+ Deutschland

Seit 15 Jahren sucht die Show Staffel um Staffel nach dem nächsten Drag-Superstar Amerikas. Und um ans Ziel zu kommen, wird den Teilnehmenden einiges abverlangt: Schauspiel, Gesang, Tanz und Kreativität im Umgang mit Nadel und Faden. Am Schluss winken eine Krone, ein stattliches Preisgeld von 200.000 Dollar und eine internationale Fangemeinde.

Im Finale jeder Folge präsentieren die Kandidat*innen vor einer Jury ihre Drag-Kostüme zu einem konkreten Thema. Wer nicht überzeugen kann, muss ins Lipsynch-Duell und einen Song auf Playback darbieten. Wer gewinnt, darf bleiben.

Drag Race Germany (Teaser Trailer) | Paramount+ Deutschland

LGBTQ-Aktivist*innen moderieren den deutschen Ableger

Versuche, „Drag Race“ nach Deutschland zu bringen, gab es schon viele. Bereits 2013 wurden die Rechte nach Deutschland verkauft. Während aber nach und nach in Großbritannien, den Niederlanden, Frankreich, Spanien, Italien, Belgien und Schweden Ableger des US-Formats entstanden, blieb es in Deutschland still.

Nun geht Deutschland als achtes Land Europas ins Rennen. Elf Drag Queens, auch aus Österreich und der Schweiz, streiten ab dem 5. September beim Streaming-Anbieter Paramount Plus um die Krone.

Drag Race Germany: Die Moderator*innen
Stolzes Jury-Team bei der Premiere in Berlin: Gianni Jovanovic und Barbie Breakout gemeinsam mit der regelmäßigen Gastjurorin Dianne Brill.

Erfreulich ist, dass „Drag Race“ für die Moderation zwei meinungsstarke Köpfe gewinnen konnte. Die Berliner Drag Queen Barbie Breakout ist seit Jahren auch als Autorin, politische Aktivistin und Podcasterin bekannt. Für großes Aufsehen sorgte die Künstlerin 2013 mit einer Protestaktion gegen Russlands Anti-Homosexuellen-Gesetzgebung und nähte sich vor laufender Kamera den Mund zu.

An ihrer Seite tritt Gianni Jovanovic als Co-Host auf. Der schwule Autor und Aktivist setzt sich publikumswirksam für LGBTQ-Rechte ein und ist auch einer der prominentesten Köpfe der Sinti*zze- und Rom*nja-Community in Deutschland.

An ihrer Seite werden immer wieder prominente Gast-Juror*innen auftreten. Gleich in der ersten Folge ist das Deutschrapperin Shirin David, deren Auftritt zumindest in der queeren Community teils auch kritisch bewertet wird.

Feature 42 Jahre, Großvater, Roma, schwul - Der Comedian und Aktivist Gianni Jovanovic

Wenn er auf die Bühne kommt, dann scheint Schluss mit lustig zu sein. Dabei hat er noch gar nicht angefangen. Und er sagt nur die Wahrheit: Ja, er wurde mit 32 Großvater. Ja, er ist schwul.

SWR2 Feature am Sonntag SWR2

Die Menschen hinter der Schminke kennenlernen

„RuPauls Drag Race“ ist heute ein internationales Phänomen. Die Kandidat*innen der amerikanischen Originalfassung treten auch in Deutschlands Metropolen in regelmäßigen Abständen mit Live-Shows auf. Eine Welttournee mit Fan-Favoriten macht im November auch in Hamburg, Köln und Berlin Halt.

RuPaul Charles, der für „Drag Race“ bislang mit 12 Emmys ausgezeichnet wurde, hat mit seiner Show eine große internationale Plattform für die Kunstform Drag geschaffen – und damit für queere Menschen. Denn der überwiegende Teil der bisherigen Kandidat*innen sind schwule Männer und trans Frauen.

RuPaul's Drag Race: Die Moderator*innen bei den Emmys
Insgesamt zwölf Emmys sicherte sich Moderator RuPaul Charles mit seinem festen Jurorenteam bislang. Von links nach rechts: Carson Kressley, Michelle Visage, RuPaul Charles und Ross Mathews.

Sie sprechen zwischen ihren Aufgaben immer wieder über ihr Leben. Sie berichten dabei von Ausgrenzung, Mobbing, Gewalt oder dem Absturz in die Drogensucht. Die schweren Schicksale der Menschen, die mit Drag ihr Anderssein zelebrieren, sind es, was „Drag Race“ gegenüber anderen Reality-Formaten zu etwas Besonderem machen.

Mannheim

CSD Rhein-Neckar Drags of Monnem: Drag Queens zwischen Bühne und Politik

Glamourös, provokant, anzüglich und auch politisch: Drag hat viele Formen und Gesichter. Drag-Künstlerinnen und Künstler erschaffen mit Hilfe von Make-Up und Kostüm überlebensgroße Kunstfiguren. Nicht nur in der Clubszene gehören Drag Queens zu den sichtbarsten Wortführer*innen für queere Rechte. Mit „Drags of Monnem“ porträtiert nun eine fünfteilige Doku-Reihe die Mannheimer Drag-Szene.

Wird „Drag Race Deutschland“ den Drag-Hype nach Deutschland bringen?

Dass „Drag Race“ nur im Streaming verfügbar ist, sollte dem Erfolg nicht unbedingt einen Abbruch tun. Auch andere queere Reality-Shows wie „Prince Charming“ (RTL Plus) konnten digital eine Fangemeinde aufbauen. Im linearen Fernsehen blieben die bisherigen Versuche mit Drag-Shows hingegen hinter den Erwartungen zurück.

„Drag Race“ hat zudem bereits eine Fangemeinde, die im Internet sehr aktiv ist. Diese könnte auch dafür sorgen, dass die Serie auch über die deutschsprachigen Grenzen hinaus erfolgreich wird. „Drag Race“ hat sich über die Jahre ein internationales Universum mit mehreren Spin-off-Serien aufgebaut. Gut denkbar, dass deutsche Queens so auch in anderen Ländern an Aufmerksamkeit gewinnen.

Fan-Favorit mit Cher, Maggie Smith und Melania Trump: „Snatch Games“ aus den USA

Every Winning Snatch Game Performance! (Compilation) | RuPaul's Drag Race

Was erwartet die Zuschauenden?

Die Aufgaben, denen sich die Kandidat*innen in der Show stellen müssen, sind deutlich vielseitiger als in vergleichbaren Formaten. Hier wird nicht nur performt oder gestylt, die Drag Queens müssen alles leisten.

Als eines der Highlights unter den „Drag Race“ Fans gilt das „Snatch Game“. Hier müssen die Kandidatinnen in einer Art Quiz-Show prominente Persönlichkeiten persiflieren. Andere beliebte Aufgaben sind Design-Challenges, bei denen die Kandidatinnen aus den verschiedensten Materialien Drag-Kostüme basteln müssen, oder Tanz- und Gesangsperformances.

Egal, was es ist: Es ist meistens schrill, laut und absurd komisch. Welchen Aufgaben genau sich die deutschen Queens stellen müssen: Ab dem 5. September erfährt man es auf Paramount Plus.

Drag Queens im Fokus

Was geht - was bleibt? Zeitgeist. Debatten. Kultur. Dragqueens erobern die Popkultur: Mehr Mainstream, weniger Hass?

Erst haben sich Dragqueens über ihr Make-Up amüsiert, dann hat die Schauspielerin Melissa McCarthy doch noch weltweit die Fans von sich überzeugt: als Meereshexe Ursula im Kinofilm “Arielle, die Meerjungfrau”. Ihre Figur soll von der Dragqueen-Ikone Divine inspiriert sein. Aber wie so oft bei Disney: Die queeren Rollen sind Bösewichte.
Was immer noch besser sei als gar keine queeren Menschen in der Popkultur zu haben, meint der Soziologe Jeff Manners. Dass die Dragkultur längst auch positiv den Mainstream prägt, betont die Dragqueen Betty BBQ aus Freiburg. Ihr Markenzeichen ist der Schwarzwald-Bollenhut. „Angekommen sind wir definitiv“, sagt sie. Was nicht gleichzusetzen sei mit sozial akzeptiert.
Drag-Kultur im Mainstream bedeutet nicht automatisch weniger Hass und Hetze gegen queere Menschen. Besonders in den USA tobt ein Kulturkampf: Ein Dutzend republikanisch geführter Bundesstaaten wollen Drag-Shows gesetzlich verbieten. Und in München platzt die CSU vor Wut über eine Kinderbuchlesung mit einer Dragqueen. “Populisten haben erkannt, dass man aus queeren Themen politisches Kapital schlagen kann, indem man Minderheiten zu Sündenböcken macht“, sagt Jeff Mannes. Für Betty BBQ eine beängstigende Entwicklung: „Ich habe mich die letzten 20 Jahre nie in einem Kulturkampf gesehen. Auf einen Schlag ist das anders, das belastet mich sehr.“
Diese Gleichzeitigkeit von Emanzipation und Repression - sie ist nicht neu, wie der Blick in die Geschichte zeigt. Der Historiker Benno Gammerl zieht mit uns Parallelen zum Deutschland der 1920er Jahre.
Habt ihr auch schon alle Staffeln der Serie „Pose“ über die Ballroom-Szene gesehen, irgendwann mal zu Madonnas „Vogue“ getanzt und sucht noch mehr Inspiration zum Thema? Mailt uns, auch mit Feedback und Themenvorschlägen, an kulturpodcast@swr.de!
Hosts: Kristine Harthauer und Philine Sauvageot
Showrunner: Stephanie Metzger
Benno Gammerls Buch “Queer. Eine deutsche Geschichte vom Kaiserreich bis heute”: https://www.hanser-literaturverlage.de/buch/queer/978-3-446-27607-9/
Die fünfteilige SWR-Dokuserie “Drags of Monnem”: https://www.ardmediathek.de/serie/drags-of-monnem/staffel-1/Y3JpZDovL3N3ci5kZS9zZGIvc3RJZC8xNTMw/1

SWR2 Tandem Schillerndes Fantasiewesen - Drag-Queen Jonas Müller alias Macy M. Meyers

Jonas Müller gehört zu den Protagonisten und Protagonistinnen der SWR-Doku „Drags of Monnem“. In seiner Freizeit verwandelt er sich in die Fantasie-Figur „Macy M. Meyers“

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