Hybridoperette erinnert an jüdische Komponisten

Operetten-Feuerwerk der 20er-Jahre: „Hotel Savoy“ mit Musicbanda Franui am Schauspiel Stuttgart

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Karin Gramling

Mit „Hotel Savoy oder ich hol dir vom Himmel das Blau“ erinnert die Musicbanda Franui am Schauspiel Stuttgart an die ermordeten und vertriebenen jüdischen Komponisten der 1920er-Jahre. Mit der Regisseurin Corinna von Rad hat das Südtiroler Ensemble mit einem Best Off aus vielen Operettentiteln eine neue sogenannte Hybridoperette kreiert.

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Die Tiroler „Musicbanda Franui“ ist bekannt für Neuinterpretationen klassischer Vorlagen – mit einer Mischung aus Volksmusik, Jazz und zeitgenössischer Kammermusik. Die Musiker sitzen am Bühnenrand und spielen zum Tanztee auf. In einem Hotel irgendwo im Osten Europas. Kurz nach Ende des ersten Weltkriegs.  

Arme und Reiche treffen hier aufeinander: Gestrandete Existenzen, Finanzjongleure, Prostituierte. Heimkehrer aus russischer Gefangenschaft.

Szene aus der Oper "Hotel Savoy" am Schauspielhaus Stuttgart
v.l.n.r: Gábor Biedermann (Regina Böhlaug), Josephine Köhler (Phöbus Böhlaug), Moritz Kallenberg (Alexander Böhlaug), Klaus Rodewald (Abel Glanz), Paula Skorupa (Fisch), Josefin Feiler (Stasia), Marco Massafra (Gabriel Dan).

Angelehnt an den Roman von Joseph Roth

Zu den Gestrandeten gehört auch der ziemlich abgerissen Gabriel Dan, der nach langer Wanderschaft im Hotel Savoy strandet und dort die Varieté- Tänzerin Stasia trifft. Eine Liebesgeschichte bahnt sich an, die zum Scheitern verurteilt ist.

Die entwurzelten und heimatlosen Menschen können keine Gefühle mehr zeigen. Der Kampf ums wirtschaftliche Überleben prägt ihr Dasein. Stark angelehnt an den Roman „Hotel Savoy“ von Joseph Roth erzählt Gabriel Dan von seinem Schicksal. Meist frontal zum Publikum stehend. Das ist der rote Faden des Stücks. Dazwischen haben „Musicbanda Franui“ und die Regisseurin Corinna von Rad die Gassenhauer der 20er-Jahre gesetzt.

 Best-Off Feuerwerk der Operettentitel

Auf einer runden schräggestellten Bühne mit ein paar schwarzen Stühlen folgt ein regelrechtes Best-Off-Feuerwerk aus Operettentiteln. Großartig gespielt von Musicbanda Franui. Stimmlich sehr gut bewältigt vom insgesamt spielfreudigen Ensemble des Schauspiels, das sich mit der Sopranistin Josefin Feiler und dem Tenor Moritz Kallenberg von der Oper verstärkt hat.

In vielen Tanzszenen dreht das Ensemble richtig auf: Zwielichtige Industrielle treten auf – obenrum Frack, untenrum ein weißes Tütü. Überdrehte Tanzgirls, die mit Straußenfedern wedeln. Männer spielen Frauen und umgekehrt. Mit viel Slapstick und Humor. 

Szene aus der Oper "Hotel Savoy" am Schauspielhaus Stuttgart
v.l.n.r: Josefin Feiler (Stasia), dahinter: Gábor Biedermann (Regina Böhlaug), Josephine Köhler (Phöbus Böhlaug), Paula Skorupa (Fisch), Moritz Kallenberg (Alexander Böhlaug), Klaus Rodewald (Abel Glanz).

Herz- und Schmerz-Gesang überlagert aufziehende Katastrophe

Viele der aufgefrischten Melodien, in denen auch der Jazz aufblitzt, funktionieren auch heute noch. Dennoch gibt es insgesamt zu viel Herz- und Schmerz-Gesang. Das überlagert die Romanvorlage von Joseph Roth gelegentlich zu sehr, und damit die aufziehende Katastrophe des Nationalsozialismus.

So ist Musicbanda Franui und der Regisseurin Corinna von Rad inhaltlich kein ganz durchgängig schlüssiger Abend gelungen. Sehens- und hörenswert ist „Hotel Savoy“ am Schauspiel Stuttgart aber allemal.

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