Aus dem Homo destructor könne wieder ein Mensch werden, der die Natur verändert, ohne sie zu zerstören, meint der Kulturgeograf Werner Bätzing in seinem neuen Buch.
Homo sapiens, der vernünftige Mensch, ist zum zerstörenden Menschen geworden, ein Homo destructor, befindet der Autor und Professor für Kulturgeografie Werner Bätzing. „Zerstörung“ ist für ihn zugleich das Paradigma, mit dem er die menschliche Evolution betrachtet.
Ausgangspunkt ist der aktuelle Umweltbefund: Verbrauch von Rohstoffen, Abbau von Bergen, atomare Verstrahlung, Verseuchung durch Kunststoffe, Eingriff in Organismen durch Gentechnik. Der Zusammenbruch der menschlichen Welt erscheine unausweichlich. Man könne mit Umweltzerstörungen nicht einfach aufhören.
Ist der Mensch etwa ein Irrläufer der Evolution?, fragt der Wissenschaftler. Aber warum gab es dann bei den ersten menschlichen Gesellschaften noch keine Umweltzerstörungen?
Der Mensch verändert schon früh seine Umwelt
Das Lebewesen Mensch, das vor etwa drei Millionen Jahren entstand, war ein Mängelwesen, nicht spezialisiert auf einen bestimmten Lebensraum – und damit auch nicht abhängig von ihm. Die Theorie von der Anpassung an die Umwelt greift für Bätzing zu kurz. Er benutzt den Begriff „kulturelles Lernen“ für die gemeinsame Bewältigung der Natur und die Erschließung neuer Lebensräume. Das Sozialwesen Homo befähigte sich, überall auf der Erde zu leben und zu siedeln, auch in kälteren Regionen. Seine körperliche Begrenztheit wird zu schier unbegrenzter Beweglichkeit. Der Nachteil schlägt in Vorteil um.
Damit wird auch die Umwelt veränderbar. Der Mensch erschafft eigene Produkte: Kultur. Felder werden bewirtschaftet, Häuser gebaut, Tiere domestiziert. Eine Art „zweite Natur“. Und zugleich ein Indikator für die besondere Mensch-Umwelt-Beziehung.
Kulturelle Selbstbegrenzung: So viel jagen wie man braucht
Bätzing beschreibt die ersten Gemeinschafts- und Wirtschaftsformen, die Jäger- und Sammler, gefolgt von Bauerngesellschaften. Egalitäre Gruppen, die sich in „kultureller Selbstbegrenzung“ übten. Es wurde nur so viel gejagt, gesammelt und angebaut, wie man brauchte. Der Begriff „kulturelle Selbstbegrenzung“ ist dabei für Bätzings Betrachtungsweise grundlegend.
Aus den nomadischen Gruppen entstand, evolutionsgeschichtlich nahezu organisch, die sesshafte Landwirtschaft mit Ackerbau und Viehzucht. Nun beschleunigte sich die Entwicklung. Mit den Städten kamen materieller Überfluss und die Herausbildung von Eigentum. Das wiederum führte zu Hierarchien und zur Herrschaft von Menschen über andere Menschen. Gewalt wurde zum Mittel von Herrschaft, auch in Form von Kriegen.
Mit der Industrialisierung, die vor etwa 200 Jahren ihren Anfang nahm, gehen Wachstumszwänge einher, unter anderem als Folge des Zins-Systems des Geldes, sprich: des kapitalistischen Wirtschaftens. Der Gebrauch von Ressourcen musste ständig gesteigert werden und führt zu ihrem rasanten Verbrauch. Oder wie Bätzing es nennt: zu ihrer „Vernutzung“.
In der gegenwärtigen „Dienstleistungsgesellschaft“, wie sie Bätzing sieht, erreichten die Umweltbelastungen nicht nur eine neue, globale Dimension: unter anderem massenhafter Verkehr, riesiger Energieverbrauch, Plastikmüll oder auch: Lärm - sondern, weil manches Produkt nicht rückgängig gemacht werden kann, auch eine neue Qualität.
Das gilt nebenbei auch für die sozialen Zerstörungen des Homo destructor: Weltkriege, millionenfacher Mord.
Der Mensch muss wieder lernen, sich selbst zu begrenzen
Werner Bätzings Fazit erscheint düster:
Und: Das größte Hindernis zur Lösung der Umweltkrise sei der Mensch selbst. Er sagt aber auch: Der Mensch sei von Natur aus kein „Homo Destructor“. Die längste Zeit lebte er, ohne die Umwelt zu zerstören. Es müsse ihm wieder gelingen, sich selbst zu begrenzen. Zumal die Erde ein begrenzter Raum ist.
Eine systematische Problemlösung will und kann er nicht geben. Nur Leitideen und Perspektiven für eine menschliche Welt ohne Umweltzerstörungen. Zum Beispiel: Reproduktion der veränderten Natur. Oder: Staaten ohne Herrschaftsansprüche. Wichtiger ist aber seine Analyse: Der Wissenschaftler präsentiert eine fundierte Kritik des Kapitalismus, ohne sie wie ein Plakat vor sich herzutragen.