Buchkritik

Manfred Krug – Ich beginne wieder von vorn

Stand
Autor/in
Jörg Magenau

Manfred Krug war einer der beliebtesten deutschen Schauspieler und Sänger – und vielleicht der einzige, der in Ost und West gleichermaßen populär gewesen ist.

So richtig gut ging es Manfred Krug zu Beginn des neuen Jahrtausends nicht. Die Folgen eines Schlaganfalls im Jahr 1997 hat er zwar einigermaßen überwunden, doch der Herzschrittmacher drückt, das Treppensteigen ist beschwerlich – und alle Diäten sind vergeblich.  

Heute beginne ich wieder von vorn. Bei 118 Kilo fange ich erneut an. Es ist schrecklich. Alt werden ist ein einziges Leiden. 

„Ich beginne wieder von vorn“ lautet der Titel der dritten Tagebuchlieferung von Manfred Krug aus den Jahren 2000 und 2001. Das klingt wie ein Neuanfang, bedeutet aber, nicht nur was das Körpergewicht betrifft, die Wiederkehr des Immergleichen.

Und doch ist Manfred Krug entschlossen, mit dreiundsechzig noch einmal durchzustarten: als Sänger. Nicht als Schauspieler. Am 1. Januar 2000 notiert er unmissverständlich: 

Es wird das letzte Jahr sein, das man mich als Schauspieler sehen wird. Ich kann nicht mehr.

Abschied vom Fernsehen 

Tatsächlich verabschiedete sich Krug nach über fünfzehn Jahren vom „Tatort“. Die letzten Folgen als Hamburger Kommissar Stoever, die bis zum Sommer gedreht werden, sind eine Qual, die Drehbücher findet er miserabel.

Zukünftigen Forschern, die wissen wollen, warum er, Manfred Krug, so beliebt gewesen sei, gibt er den Rat, Filme und Drehbücher miteinander zu vergleichen. Dann wird man ermessen, was er, Krug, eingebracht habe an Witz und Schlagfertigkeit.

Wenn er sich abends im Fernsehen sieht, ist er sehr zufrieden mit sich, hält die beachtliche Einschaltquote fest und lässt sich gelegentlich sogar zu einem Glückwunschfax an den mäßig begabten Regisseur hinreißen. 

Trällerte Duette im „Tatort“

Der Abschied vom Film fällt ihm nicht schwer. Zu DDR-Zeiten war Krug als Sänger von Schlagern und Jazz-Standards mindestens genauso berühmt wie als Schauspieler. Im „Tatort“ trällerte er zusammen mit seinem Kompagnon Charles Brauer Duette, die nun als CD in die Charts gelangen.

Krug legt „Deutsche Schlager“ und anderes nach. Wenn er mit Geschichten und absurden Gedichten auf Lesereise geht – Schriftsteller war er auch –, verlangt das Publikum, er solle singen. Also singt er. Das macht mehr Freude als die Arbeit am Set.  

Dass die als Volksaktie platzierte Telekom-Aktie an der Börse abstürzte, machte ihm durchaus zu schaffen, schließlich hatte er dafür geworben. Die Bild-Zeitung veröffentlichte einen Brief Krugs an einen Aktionär, der in einem lustigen Vierzeiler gipfelte.  

Manchmal stehn die Aktien hoch / und manchmal stehn sie niedrich, / ein Auf und Ab, grad wie beim Arsch / vom alten Kaiser Friedrich.

„Bild“ hielt das für Verhöhnung der Aktionäre, musste aber schließlich eine Gegendarstellung drucken. In eigener Sache war Krug unerbittlich. Akribisch listete er auf, wer gerade woran und in welchem Alter gestorben ist: „Die Einschläge kommen näher.“

Das Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit gab ihm eine produktive Distanz zum gesellschaftlichen Leben und zum Weltgeschehen, das er gleichwohl mit großer Neugier verfolgte.  

Lebenskünstler mit Charme 

Von heute aus gesehen wirkt das Jahr 2000 wie ein Luftanhalten zwischen Gestern und Morgen. Helmut Kohl steht wegen der Spendenaffäre vor dem Untersuchungsausschuss. Der serbische Präsident Slobodan Milošević wird verhaftet.

Putin, frisch im Amt, attestiert Krug „den Gang einer energischen Soldaten-Ente“. Doch mit dem 11. September 2001 beginnt ein neues Zeitalter. Krug ist erschüttert; das kommt nicht oft vor. Die Tagebücher zeigen ihn als Lebenskünstler, der mit seinem Charme über alle Abgründe hinwegsegelte.

Auch im Schreiben praktizierte er das, was ihn als Schauspieler und als Sänger so beliebt machte: in jeder Rolle vor allem er selbst, Manfred Krug, zu sein. Es ist so vergnüglich wie lehrreich, ihn mit seinem wachen Blick, seiner Lust an Klatsch und Tratsch, seiner Schnoddrigkeit und seiner auch sich selbst nicht schonenden Ironie durchs Leben zu begleiten.  

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