„Es war ein Schreiben entlang eines Trauerprozesses“, sagt die Lyrikerin Anja Utler über ihren Gedichtband „Es beginnt. Trauerrefrain“, den sie angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine verfasst hatte. Am 3. April wurde ihr dafür der Peter-Huchel-Preis in Staufen im Breisgau vom Südwestrundfunk und dem Land Baden-Württemberg verliehen.
Was für ein Gewinn, Anja Utler lesen zu hören!
Was für ein Gewinn zu hören, wie Anja Utler ihre Gedichte spricht. Im besonderen Maße gilt das für den nun mit dem Peter-Huchel-Preis ausgezeichneten Gedichtband „Es beginnt. Trauerrefrain“.
Jedes der darin versammelten 209 Kurzgedichte beginnt mit denselben Worten „Es beginnt der Tag“. Anja Utler beschreibt in diesen höchstens vierzeiligen Gedichten, wie sie durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine den Boden unter den Füßen verloren hat.
Kurzgedichte mit soghafter Wirkung
Wie sie „zu sinken“ begann und auch ihr „poetisches Konzept“ verlor. Doch sie schreibt! Suchend, tastend, in sich hineinhorchend, reduziert auf das Grundlegende, zurückgeworfen auf das reine Weiterleben
Die 209 Kurzgedichte können zwar jedes für sich stehen, bekommen aber eine geradezu soghafte Wirkung und neue inhaltliche Verbindungen, wenn man sie immer wieder zu Blöcken zusammenzieht und das Tempo variiert, wie Anja Utler das jetzt bei der Peter-Huchel-Preisverleihung getan hat.
Laudatio von Literaturwissenschaftlerin Maren Jäger
Diese offen ausgesprochene, aber zugleich analytisch betrachtete Hilflosigkeit und Ohnmacht machen für die Literaturwissenschaftlerin Maren Jäger die Wucht dieses Gedichtbandes von Anja Utler aus. In ihrer Laudatio wies sie auf die große Kraft der immer gleichen Gedichtanfänge, auf die ständigen Wiederholungen hin.
In ihrer Laudatio verwies Maren Jäger auch darauf, dass Wiederholungen nicht nur dazu dienen, Dinge, die einem wichtig sind, zu betonen, sondern dass sie auch helfen können, Orientierung zu schaffen. Maren Jäger betonte, dass die Dichtung von Anja Utler „ein Anliegen habe“ sowie „akut und dringlich“ sei. Schließlich hat sie sich damit in radikaler Weise der Gegenwart gestellt.
Dankesrede von Anja Utler: Gedichte sind nicht weltabgewandt
In ihrer Dankesrede bestätigte Anja Utler, dass sie ihre Gedichte nicht als weltabgewandt verstanden wissen möchte. Sie wählte ein frühes Gedicht des Lyrikers Peter Huchel, um zu zeigen, wie sehr auch ihm daran gelegen war, dass Lyrik sich nicht in „wirklichkeitsferne Gewissheiten einmauert“.
Das Gedicht „Der seltsame Handwerker“ hatte Huchel 1933 verfasst, aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg veröffentlicht – und Anja Utler erläuterte dem Publikum bei der Preisverleihung, wie er es in mehreren Schritten verändert hat:
Sie nehme dieses Beispiel, sagte die Lyrikerin Anja Utler, als eine Mahnung und einen Aufruf – auch in unserer heutigen Zeit scheinbare Gewissheiten zu hinterfragen, sich zu bewegen und Position zu beziehen.
Peter-Huchel-Preisträgerin im Gespräch Anja Utlers Gedichtband über den russischen Angriffskrieg – „Litanei von größter Intensität“
Putins Angriffskrieg war für die Slawistin und Lyrikerin Anja Utler ein Schock. In ihrem Gedichtband „Es beginnt“ reagiert sie darauf. Sie erhält dafür den Peter-Huchel-Preis 2024.