Erstmals Preisträgerin aus Südkorea Literaturnobelpreis 2024: Han Kang erhält renommierten Literaturpreis
Der Literaturnobelpreis gilt als der wichtigste Literaturpreis der Welt. Die Schwedische Akademie in Stockholm hat nun die Preisträgerin 2024 verkündet: die Südkoreanerin Han Kang.
Diese Autor*innen gehörten zu den Favoriten:
Am 10. Oktober um 13.00 Uhr blickt die Literaturwelt gespannt nach Stockholm. An diesem Donnerstag im Frühherbst gibt die Schwedische Akademie im Stockholmer Börshuset, dem Sitz der Akademie, bekannt, wer in diesem Jahr mit dem Literaturnobelpreis für sein Lebenswerk gekürt wird.
Wie jedes Jahr erfolgt die Preisverleihung am 10. Dezember, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel, im Stockholmer Konzerthaus.
Nobelpreiskomitee ist für Überraschungen gut
Trotz der Verschwiegenheit der Jury gibt es einige Schriftsteller, die als Dauerfavoriten für den Literaturnobelpreis gelten: unter ihnen die kanadische Autorin Margaret Atwood, der indisch-britische Schriftsteller Salman Rushdie oder der japanische Autor Haruki Murakami.
Seit Jahren werden sie bei Online-Wettanbietern hoch für den Preis gehandelt. Doch das will nichts heißen, denn in der Vergangenheit hat die Stockholmer Jury oft bewiesen, dass sie für Überraschungen gut ist.
2020 ging der Literaturnobelpreis an Louise Glück
Wie zum Beispiel 2020 als der Preis an die US-amerikanische Lyrikerin Louise Glück ging. Die Auszeichnung erhielt sie „für ihre unverkennbare poetische Stimme, die mit strenger Schönheit das individuelle Dasein universell macht“, so die Jury.
Im deutschsprachigen Raum war die Lyrikerin wenig bekannt. Mindestens genauso überrascht wie die Buchbranche und die Öffentlichkeit war Louise Glück selbst, als sie von der Auszeichnung erfuhr:
Kritik am Eurozentrismus des Komitees
Der in Großbritannien lebende und auf Sansibar geborene Schriftsteller Abdulrazak Gurnah galt ebenfalls als Geheimtipp, als er 2021 den Literaturnobelpreis erhielt. In seinen Romanen skizziert er ein kulturell vielfältiges Ostafrika, verhandelt Themen wie Identität, Leben im Exil und koloniale Vergangenheit.
Gurnah ist erst der sechste afrikanische Autor, der für sein literarisches Werk ausgezeichnet wurde. Dem Nobelpreiskomitee der Schwedischen Akademie wurde in der Vergangenheit Eurozentrismus bei der Wahl der Preisträger- und Preisträgerinnen vorgeworfen. Über viele Jahrzehnte stammten diese vor allem aus dem mittel- oder nordeuropäischen Kontext.
Aber wer wird denn nun Literaturnobelpreisträger 2024? Das weiß aktuell nur die Schwedische Akademie. Wir geben trotzdem einen Überblick über mögliche Anwärterinnen und Anwärter:
Can Xue : Wichtigste Vertreterin der experimentellen literarischen Avantgarde Chinas
Ihr bürgerlicher Name lautet Deng Xiaohua. Can Xue, ihrem Nom de Plume, kommt eine Doppelbedeutung zu. Das Pseudonym kann genauso schmutziger, nicht schmelzender Schnee wie reiner Schnee auf einem Berggipfel bedeuten. Die Chinesin wurde 1953 in der Provinz Hunan geboren und gilt als wichtigste Vertreterin der experimentellen literarischen Avantgarde Chinas.
Can Xue wuchs in einer Verlegerfamilie in ärmlichen Verhältnissen auf während Mao Zedongs Kampagne gegen „Rechtabweichler“ in den späten 1950er-Jahren und der Kulturrevolution (1966 - 1976). Ihre Eltern waren als Intellektuelle staatlichen Repressionen ausgesetzt. Can Xue beendete ihre Schullaufbahn nach der Grundausbildung und arbeitete als Schneiderin. Erst als über 30-Jährige wurde sie zur bedeutendsten Avantgarde-Autorin Chinas.
Kurzgeschichten, Erzählungen, Romanen, Literaturkritik, Prosa und philosophische Essays
Can Xues breites und mehrfach preisgekröntes Œuvre umfasst Texte unterschiedlicher Gattungen: Kurzgeschichten, Erzählungen, Romane, Literaturkritik, Prosa bis hin zu philosophischen Essays. Ihre Texte bewegen sich oft jenseits jeglicher Kohärenz oder Linearität, eröffnen surreale Traumwelten und neue Denkräume.
Für ihre Texte greift sie auf die sogenannte Technik der „Écriture automatique“ zurück: Can Xue schreibt jeden Tag ohne Vorbereitung eine Stunde handschriftlich nieder. Im Nachgang verzichtet sie auf jegliche Nachbearbeitung. Auf Deutsch liegen ihre Werke „Dialoge im Paradies – Erzählungen aus der Volksrepublik China“, „Liebe im neuen Jahrtausend“ und „Schattenvolk“ vor.
Anne Carson: Die aufregendste englischsprachige Dichterin
Susan Sonntag nannte Anne Carson „waghalsig, gelehrt, beunruhigend“, für den kanadischen Schriftsteller Michael Ondaatje ist Carson die „aufregendste englischsprachige Dichterin unserer Zeit“. Die 1950 in Toronto geborene Dichterin, Übersetzerin, Altphilologin und Dozentin wird in Kanada und den USA als eine der wichtigsten Stimmen der zeitgenössischen Lyrikszene gefeiert.
Carsons Werdegang als Schriftstellerin und Poetin wurde maßgeblich durch ihr Studium der klassischen Altertumswissenschaften an der University of Toronto geprägt. Die Kanadierin ist Meisterin darin, alte Stoffe der antiken Mythologie und Literatur in die Moderne zu transferieren.
Lyrik, Poesie, Prosa, Drama und Essay verschmelzen
Ihr Erfolgswerk „Rot – Zwei Romane in Versen“ ist ein Beispiel dafür. Darin erzählt Carson die Geschichte des mythischen Außenseiters Geryon, eines antiken Monsters mit roter Hautfarbe, das von Herakles getötet wird. Die deutsche Fassung vereint zwei von Carsons Werken – „Autobiography of Red“ und „Red Doc >“ – in einem Band.
In ihren Büchern, in denen unterschiedliche literarische Formen wie Lyrik, Poesie, Prosa, Drama und Essay miteinander verschmelzen, erforscht Carson Themen wie das Selbst, das Geschlecht, die Form und die Liebe.
Ihr vielfach prämiertes Werk umfasst mehr als zwanzig Bücher. Erwähnt seien dabei „Glas, Ironie und Gott – Fünf epische Gedichte und ein Essay über das Geschlecht des Klanges“ und „Irdischer Durst“.
Salman Rushdie: Der furchtlose Schriftsteller
Der furchtlose Kampf für Meinungsfreiheit ist sein Lebensthema. Dem 1947 in Bombay geborenen britisch-indischen Autor Salman Rushdie gelang mit seinem zweiten Roman „Mitternachtskinder“ (1981) der internationale Durchbruch. Das mit dem Booker Prize ausgezeichnete Werk handelt von einer Familie während der Unabhängigkeitswirren des indischen Staates.
Der Skandalroman „Satanistische Verse“
Sein vierter Roman „Die satanischen Verse“ (1988) löste massive Proteste in der islamischen Welt aus. Nach einem Mordaufruf des iranischen Revolutionsführers Ayatollah Khomeini im Jahr 1989, der eine Fatwa auf Rushdie erlies, lebte und arbeitete er jahrelang im Untergrund, wechselte ständig den Wohnort.
In seinem Romanwerk verbindet Rushdie realistische und fantastische Elemente und kann somit dem Stil des Magischen Realismus zugeordnet werden. Seine Romane, Kurzgeschichten und Essays wurden mit zahlreichen internationalen Preisen bedacht und in über vierzig Sprachen übersetzt.
Nachdem Rushdie seit 1998 auf Personenschutz verzichtet hatte, wurde er 2022 Opfer eines Messer-Attentats, das er mit 15 Stichwunden überlebte. Seine neuesten Veröffentlichungen sind „Victory City“ (2023) und „Knife – Gedanken nach einem Mordversuch“ (2024). 2023 wurde er „für seine Unbeugsamkeit, seine Lebensbejahung und dafür, dass er mit seiner Erzählfreude die Welt bereichert“ mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels geehrt.
Friedenspreis des Deutschen Buchhandels für Salman Rushdie
Haruki Murakami: der ewige Favorit
Seine Kindheit verbrachte der 1949 in Kyoto geborene Haruki Murakami umgeben von Büchern, hegte schon früh eine Begeisterung für Musik, insbesondere Jazz, und westliche Literatur. Der japanische Autor und Übersetzer amerikanischer Literatur gilt als weltweit erfolgreichster Schriftsteller seines Landes. Murakami, dessen Eltern beide Literatur unterrichteten, wuchs in einem Vorort der international geprägten Hafenstadt Kobe auf.
Während eines Studiums in Theaterwissenschaften und Drehbuchschreiben an der renommierten Waseda-Universität von Tokio arbeitete Murakami in einem Plattenladen. Später führte er zusammen mit seiner Ehefrau in Tokio in der Nähe von einer US-Kaserne den Jazz-Club „Peter-Cat“. Beide Erfahrungen spiegeln sich in seinem Werk wider.
Murakami übersetze unter anderem die amerikanischen Autoren wie F. Scott Fitzgerald oder John Irving ins Japanische. Er lebte mehrere Jahre in den USA, wo er an unterschiedlichen Universitäten unterrichtete, und in Europa.
Japans meistgelesener Autor Haruki Murakami wird 75: Diese fünf Bücher lohnen das (Wieder-)Entdecken
Haruki Murakami, der am 12. Januar 2023 seinen 75. Geburtstag feiert, gilt vielen als „unjapanisch“. Wir blicken auf fünf Titel, die sich für Murakami-Neulinge lohnen.
Ein Wanderer zwischen den Welten
Murakami gilt als Wandler zwischen den Welten, zwischen der westlichen und der östlichen, verwebt in seinen Texten Realität und Fantasie, lotet die Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit aus. In seinen Werken finden sich zahlreiche surrealistische Elemente und Bezüge zur Popkultur.
Sein Œuvre, darunter Erzählungen, Sachbücher und Romane, wurde in über fünfzig Sprachen übersetzt und international mit bedeutenden Literaturpreisen geehrt. Murakamis Roman „Naokos Lächeln“ (1987) avancierte mit einer Startauflage von über vier Millionen verkauften Exemplaren zum Kultbuch.
Weitere wichtige Veröffentlichungen Murakamis sind „Mister Aufziehvogel“, „Kafka am Strand“, „1Q84“, „Die Ermordung des Commendatore“, „Erste Person Singular“ und „Die Stadt und ihre ungewisse Mauer“.