Als der 1948 auf Sansibar geborene Abdulrazak Gurnah im Jahr 2021 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde, galt er zumindest in Deutschland noch weitgehend als ein Geheimtipp. Das hat sich glücklicherweise schnell geändert, da mittlerweile fünf seiner Romane in neuer Übersetzung auf Deutsch vorliegen. „Das versteinerte Herz“ wurde im Original vor sieben Jahren publiziert. Es ist ein Coming-of-Age-Roman, der von einem Jungen erzählt, der in den 1970er-Jahren auf der zu Tansania gehörenden Insel Sansibar aufwächst.
Salim, der Ich-Erzähler, gehört der muslimischen Minderheit an; das Land wird von politischen Unruhen und Gewalt durchgeschüttelt. Salims Vater, der ohnehin stets mit dem Sohn gefremdelt hatte, verschwindet, als Salim sieben Jahre alt ist; die Mutter lässt sich mit einem mächtigen Mann ein, um das Leben ihres Bruders zu retten. Der Vater sei nur für ein paar Tage verreist, erzählt sie dem Sohn.
Hinter das dunkle Geheimnis seiner Kindheit kommt Salim erst Jahre später nach und nach. Als junger Erwachsener kommt er dank seines Onkels nach London, wo er Betriebswirtschaftslehre zu studieren beginnt, gegen seine Neigungen und Wünsche, doch die Entscheidungen in seinem Leben haben stets andere für ihn getroffen.
Gurnah beschreibt ein Leben zwischen zwei Welten und erzählt von der Fremdheit, die eine solche Existenz nach sich zieht. Trost spendet die Literatur. „Das versteinerte Herz“ trägt autobiografische Züge. Gurnahs dezidiert schmuckloser Stil ist ein Resultat seiner Abneigung gegen die „zur Schau gestellte Kunstfertigkeit“, die seinen Protagonisten abstößt. Dem setzt Gurnah literarische Wahrhaftigkeit entgegen.