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Anne Carson: Rot. Zwei Romane in Versen

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Die Kanadierin Anne Carson hat Altgriechisch bei einem Privatlehrer gelernt, anschließend Grafikdesign studiert und erst über Umwege ihre Faszination für die Antike als Professorin für Altertumswissenschaften zum Beruf gemacht. Auch „Rot“ verknüpft auf komplexe Weise antike Mythen mit der Gegenwart. Das Buch ist ein Hybrid zwischen Versdichtung und Roman und basiert auf dem Mythos des Geryon, eines Monsters mit drei an der Hüfte zusammengewachsenen Leibern.

Geryon ist rot, lebt auf einer roten Insel inmitten roter Rinder. Es ist Herakles, der Geryon mit einem Pfeil tötet. Dante stellte Geryon als ein Mischwesen aus Mensch, Schlangenwesen und Raubtier dar. Carson transportiert den Mythos als Geschichte eines Aufwachsens in die Gegenwart. Geryon ist ein Junge, der von seiner Umwelt als Trottel verspottet und von seinem Bruder missbraucht wird. In der Jugendzeit wird aus dem verzweifelten Kind ein schwuler Außenseiter. Carsons freie Verse geben der Geschichte etwas Fragmentarisches; aus den Fragmenten kristallisiert sich die Biografie eines Menschen heraus, der seine Natur als etwas Unheimliches in sich verspürt.

Der erste Teil ist bereits 1998 erschienen; Teil zwei hat Anne Carson 2013 nachgelegt. Was als Entwicklungsroman anfängt, setzt sich als Poetik des ständigen Unterwegsseins fort. Bei aller postmoderner Geschultheit, bei aller stilistischen Brillanz und technischen Fertigkeit haben Carsons Verse auch immer etwas zutiefst Emotionales. Wissenschaft, Dichtung, Bildung und Stil vereinigen sich bei Carson zu sprachlicher Schönheit und gedanklicher Tiefe.

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SWR