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Salman Rushdie: Knife. Gedanken nach einem Mordversuch

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Es ist unfassbar und bewundernswert, mit welcher Beharrlichkeit, vor allem aber mit welcher Freude der Schriftsteller Salman Rushdie im Leben steht. Trotz allem. Und wie sehr er sich auf die Kraft der Worte verlässt, die er der rohen Gewalt, von der er seit Jahrzehnten bedroht ist, entgegenstellt. Das konnte man zuletzt auch in Deutschland bei seinem Auftritt in der Frankfurter Paulskirche erleben.

Seit 1988, seit dem Erscheinen des Romans „Die satanischen Verse“, wird Rushdies Leben bedroht. Er selbst konnte das nie vergessen. Doch dass ein Angriff auf sein Leben ausgerechnet an jenem Tag und an jenem Ort, am 12. August 2022 im Chautauqua Institut im Bundesstaat New York geschehen würde, hat Rushdie selbst überrascht, und zwar bereits, wie er schreibt, in jenem Augenblick, in dem ein Attentäter 27 Sekunden lang auf ihn einstach und ihn mit 15 Messerstichen lebensgefährlich verletzte.

Der Auftakt von „Knife“ ist ein minutiös abgebildeter Bewusstseinsstrom der Stunden davor und der Augenblicke der Tat selbst, wie Rushdie sie erlebte – mit Fassungslosigkeit: „Warum heute?“ Rushdie erzählt von den Schmerzen in den Wochen danach, von den Menschen, die ihn unterstützt haben. Und immer wieder kehrt er in Gedanken zu dem Tatwerkzeug zurück: Das Messer ist ein Symbol für alles, was er hoffte, aus seinem Leben verbannt zu haben: Angst, Unfreiheit, die Gespenster der Vergangenheit. Ihnen setzt Rushdie das entgegen, was ihn immer ausgezeichnet hat: Einen scharfen Witz, eine tiefsitzende Humanität und vor allem: die Überzeugungskraft des literarischen Sprechens.

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Buchkritik Salman Rushdies Buch „Knife“ über den Messerangriff: Plädoyer für die Freiheit

Auf den Hass hat er mit Liebe geantwortet und ihn durch sie überwunden. In seinem neuen Essay „Knife“ verarbeitet der Autor Salman Rushdie die beinahe tödlichen Verletzungen, die ihm ein islamistischer Attentäter 2022 zufügte. Das Buch bringt alles mit für einen Bestseller, meint Thomas Kretschmer.
Das Leben dank seiner Familie festgehalten
Aus seinem neuen Buch erfahren wir, wie Salman Rushdie selbst den Angriff erlebt hat: Die Ohnmacht, die Ängste, die Schmerzen macht der Autor mit all seinem Können erfahrbar: wie entsetzlich es sich anfühlt, beatmet zu werden, nicht mehr schreiben zu können, ein Auge zu verlieren. Und gleichzeitig macht er klar, dass er ohne seine Frau und seine Familie das Leben nicht hätte festhalten können.
Die Sprache ist sein Messer
Vor dem 12. August 2022, schreibt Rushdie, habe er das Leben gewöhnlicher New Yorker geführt. „Dann kam das Messer und zerschnitt dieses Leben.“ Er habe sich aber zu wehren gewusst: Für ihn sei die Sprache sein Messer gewesen. „Sie könnte auch das Werkzeug sein, mit dem ich meine Welt wieder errichten und wieder einfordern konnte, sie könnte den Rahmen formen, mit dem ich mein Bild von der Welt wieder an die Wand zu hängen vermochte.“
Drastisch detailreich, aber auch erstaunlich humorvoll
Salman Rushdie weiß noch immer wie nur wenige mit Sprache umzugehen. Und so bräuchte dieser Text zwei Trigger-Warnungen: einerseits vor den drastischen Details der Notfall-Medizin – andererseits vor dem Humor des Autors, den er sich schon wenige Wochen nach dem Attentat wieder gefunden hat. Rushdie hat den Hass seines Attentäters überwunden – und dem Publikum ein packendes Plädoyer für die Freiheit geschenkt.

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