Biografische Geschichten von Modedesignern liegen bei Streaming-Anbietern gerade schwer im Trend. Apple TV+ greift mit der Serie „The New Look“ nun nach den Sternen der Pariser Haute Couture: Christian Dior und Coco Chanel. Nach dem Zweiten Weltkrieg sind sie die bestimmenden Figuren der Modeszene, mit gegensätzlichen Vorstellungen und völlig unterschiedlicher persönlicher Geschichte.
Die Frau oder das Kleid?
Was ist Mode? blafft Coco Chanel ein paar geladene Reporter im Jahr 1955 an. Die Frau solle das Kleid tragen, nicht umgekehrt, das Kleid die Frau.
Das, was ihr Konkurrent Christian Dior entwirft, missfällt Chanel ganz grundsätzlich: Während sie auf schlichte Eleganz, das berühmte kleine Schwarze setzt, geht es bei ihm um schwärmerische Opulenz: Korsetttaille, Tüllstaffage, edle Stoffe.
Aus Coco Chanel spricht also ästhetische Überzeugung, aber auch die Angst, ihre Popularität- und Fashion-Vormachtstellung endgültig an die Vertreter des sogenannten „New Look“ zu verlieren, vor allem an Christian Dior.
Christian Dior war schüchtern
Vom Wesen ist Dior, auch das ganz im Gegensatz zu Chanel, ein schüchterner, demütiger Mensch, dessen Arbeit durch den Krieg und die deutsche Besatzung geprägt wird. Während des Kriegs gewährt Dior Resistancekämpfern Unterschlupf, die mit seiner Schwester in Verbindung stehen.
Sie wird schließlich verhaftet und nach Ravensbrück deportiert, was ihm fast seine ganze Lebensenergie raubt. Nur sein geschäftstüchtiger Chef Lucien Lelong, gespielt von John Malkovich, hält ihn am Leben.
Währenddessen logiert Coco Chanel im Pariser Ritz, in direkter Nachbarschaft zu den Nazikommandeuren und wird schließlich von ihnen als Agentin angeworben.
Juliette Binoche spielt Coco Chanel als Opportunistin
Im Grunde sind die Sympathien klar verteilt, Juliette Binoche spielt Coco Chanel grandios als moralisch fragwürdige Opportunistin. Dennoch findet sie viele Zwischentöne, bei denen man hinter dem barschen und herrischen Wesen auch die Unsicherheit entdecken kann einer lebenslang auf sich allein gestellten Frau.
Im Zweifel geht sie allerdings auch ohne zu zögern mit dem Feind ins Bett, um sich und ihr Vermögen zu retten.
Mode und Moral in zerstörerischen Zeiten
„The new Look“ trägt manchmal etwas dick auf, mit der allzu offensichtlichen Konfrontation von Leid und Luxus. Insgesamt ist es aber eine faszinierende Serie über Mode und Moral in zerstörerischen Zeiten.
Ihr gelingt ein berührendes, teilweise auch hartes Porträt der französischen Gesellschaft während und nach der deutschen Besatzungszeit. Mit Game of Thrones-Star Maisie Williams als Diors Schwester Cathrine und vor allem Ben Mendelsohn als Christian Dior, der dem Modeschöpfer Tiefe und eine stille Würde verleiht.
Serie ist eine Liebeserklärung an die Stadt der Mode
Haute Couture ist und bleibt Luxus und dient meist dem Ausdruck von Reichtum und Macht. Das hinterfragt die Serie von Todd Kessler auch nicht wirklich. Vielleicht schafft sie es dennoch, einen „neuen Blick“ auf Mode und ihre Idee zu vermitteln.
„The New Look“ ist nicht zuletzt eine Liebeserklärung an die Stadt der Mode, Paris, und an ihre Träumer wie Dior, Balenciaga, Jean Cocteau oder Pierre Cardin, für die Kleidung auch immer stoffgewordener Ausdruck von Hoffnung war.