Den einen gilt sie als Sinnbild für schlechten Geschmack, andere bringen sie auf den Catwalk: die Jogginghose. Am 21. Januar findet zu ihren Ehren sogar ein internationaler – wenn auch nicht ganz ernst gemeinter – Feiertag statt. Ein Blick in die Welt der Fashionistas und Influencer, die den Schlabberlook salonfähig machen.
Selbst der größte Gegner kommt nicht um die Jogginghose herum
Vorbei sind die Zeiten, in denen Jogginghosen-Träger*innen modische Verwahrlosung nachgesagt wurde. Selbst Karl Lagerfeld scheint noch vor seinem Tod im Jahr 2019 seinen Frieden mit der Jogginghose gemacht zu haben. Mehrfach hat er sich abfällig über sie geäußert.
Ob es sich bei dem berühmten Zitat „Wer Jogginghosen trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren“ tatsächlich um einen Ausspruch Lagerfelds handelt, ist zwar nicht belegt, doch besonders gut leiden konnte der strenge Modedesigner die Schlabberhosen nicht. Nichts sei „gefährlicher als Sachen aus Stretch, Gummiband und all so’n Quatsch“, sagte er etwa 2012 bei „Wetten, dass...?“. Durch Jogginghosen verliere man einen realistischen Blick auf den eigenen Körper; enge Kleidung könne hingegen nicht lügen.
So zumindest die Meinung der Designer-Ikone bis zur Herbst-/Winterkollektion 2014/15 von Chanel. Bei der Pariser Fashion Week staunte die Modewelt nicht schlecht, als mehrere Jogginghosen-Modelle von Lagerfeld auf dem zu einem Supermarkt umgebauten Laufsteg zu sehen waren. Cara Delevingne präsentierte eine löchrige und pinke Stoffhose, die von der Passform irgendwo zwischen Leggings und Jogginghose einzuordnen ist und eher an Couch als Catwalk erinnerte.
Gemütliche Flauschigkeit: Aus dem Home Office auf den Laufsteg
Neun Jahre später würde heute ein Jogginghosen-Catwalk vermutlich niemanden mehr erstaunen. Die gemütliche Flauschigkeit ist längst in der Modewelt angekommen – davon zeugt eine Vielzahl an Modellen in unterschiedlichen Preisklassen, Formen, Farben und aus den unterschiedlichsten Materialien. Von der klassischen Sweathose bis hin zum edlen Strick- oder Wildleder-Teil gibt es inzwischen für jeden Jogginghosen-Typ ein passendes Angebot.
Einen regelrechten Boom gab es während der Corona-Pandemie, als im Home Office Anzughose und Kostümrock im Schrank bleiben durften und das gemütliche Beinkleid einen Hype erfuhr. Dabei haben die Jogginghosen-Optionen im Home Office nur einen Trend befeuert, der ohnehin eingetreten wäre, wie Carl Tillessen, Trendanalyst des Deutschen Mode-Instituts 2022 gegenüber dem Wochenblatt erklärte: „Was unter normalen Umständen zehn Jahre gedauert hätte, ist jetzt in zwei Jahren über die Bühne gegangen“, sagt er.
Wie Marktanalysen zeigen, stieg die Nachfrage nach Jogginghosen während der Pandemie insgesamt zwar nur verhalten an, doch bei den Online-Käufen verzeichneten sie ein veritables Plus: Otto etwa machte im Schlabberlook-Segment 2020 ein Plus von rund 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
It-Piece der Generation Z
Die Jogginghose ist heute ein absolutes It-Piece der Generation Z und unisex tragbar – laut Experten ist das ein entscheidendes Kriterium für ihre Beliebtheit: „Die Jogginghose hat vor allem Potenzial, da sie einen Unisex Style bietet, welcher aktuell sehr im Trend liegt“, sagt etwa Anja Egger, Marketing-Chefin von Puma Europa gegenüber dem Wochenblatt.
Kombiniert mit bauchfreiem Top und klobigem Schuhwerk erinnert der Trend an die 90er-Jahre, bei der die obligate Adidas-Knöpfhose bei keinem Fashionvictim im Kleiderschrank fehlen durfte. Schon seit geraumer Zeit feiert der Style der 90er ein Comeback.
Inzwischen haben mehrere Schulen wegen dem Schlabber-Trend gar ein Jogginghosen-Verbot erlassen: Das Kleidungsstück sei nicht für den Schulbesuch geeignet, die Gammel-Mode verleite zum Ablümmeln und verhindere ein produktives Arbeiten, heißt es.
Celebreties zeigen mit der Jogginghose Nahbarkeit
Was in deutschen Schulen teilweise untersagt, zumindest aber diskutierwürdig erscheint, ist auf dem Laufsteg und auf Social-Media-Plattformen längst angesagt. Modedesigner wie Kilian Kerner, Fendi, Balenciaga oder Tommy Hilfiger spielen mit dem schlechten Image der Hose und werten sie durch edle Materialien oder raffinierte Accessoires auf.
Influencer*innen befeuern den Trend zum lässigen Beinkleid weiter, indem sie auf Social Media ihren Followern die neuesten Jogger-Styles präsentieren. Gemütlichkeit ist auch bei Promis wie Kim Kardashian oder Jennifer Lopez angesagt: Sie tragen Jogginghose und übergroßen Hoodie auf Flugreisen oder beim Shopping – und zeigen damit Nahbarkeit.
Die italienische Influencerin Chiara Ferragni posiert in einer edlen Strick-Jogginghose:
Designerstücke im Jogginghosen-Segment
Natürlich hat der Trend zur Schlabberhose Folgen für den Geldbeutel: eine aus Lammleder hergestellte Variante gibt es von Fendi für rund 4.000 Euro – vermutlich die teuerste Jogginghose der Welt. 1.500 Euro kostet eine mit Gucci-Logos übersäte Hose aus Polyester, von Prada kann man eine Jogginghose aus Nappa-Leder für knapp 3.000 Euro käuflich erwerben.
Und die Chanel-Jogginghose von Karl Lagerfeld? Die gibt es für rund 1.000 Euro, auf Verkaufsplattformen wird sie heute vielfach mit dem Attribut „ikonisch“ beschrieben.
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