Film

Abgründiger Western mit Robert de Niro und Leonardo DiCaprio : „Killers of the Flower Moon" von Martin Scorsese

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Autor/in
Rüdiger Suchsland

Der amerikanische Traum und die Abrechnung mit ihm ist das großes Thema von Regisseur Martin Scorsese. In „Goodfellas" oder „Casino" hat er den Gangsterfilm zum Spiegel einer ganzen Nation erhoben. Mit „Gangs of New York" wendete er den Gründungsmythos Amerika gegen sich selbst, mit „Wolf of Wall Street" ironisierte er den Kapitalismus. Scorseses neuer Film ist ein Western, in dem der Meisterregisseur ganz neue Töne anschlägt.

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Kein normaler Western

Scorseses neuer Film ist kein normaler Western, sondern ein desillusionierter, der in den 1920er Jahre spielt, einem Gangsterfilm zum Verwechseln ähnlich sieht und an Scorseses Vorbild Sergio Leone und dessen Western-Oper „Spiel mir das Lied vom Tod" erinnert. Der Tod und das Töten sind auch hier ganz präsent: So wie die Mythen - die aber nur da sind, um auseinandergenommen zu werden. 

Filmstill
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts brachte das Erdöl der Osage Nation großen Reichtum und sie wurde über Nacht zu einem der wohlhabendsten Völker der Welt. William Hale (Robert De Niro) steht als Rinderzüchter in besten Verbindungen mit den Osage und und hat es auf ihr Vermögen abgesehen. Bild in Detailansicht öffnen
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Der Wohlstand dieser Ureinwohner Amerikas zog weiße Eindringlinge an, die die Menschen manipulierten, erpressten und den Osage so viel Geld stahlen, wie sie konnten, inklusive zahlreicher Morde. (JaNae Collins, Lily Gladstone, Cara Jade Myers and Jillian Dion) Bild in Detailansicht öffnen
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Der einflussreiche Rancher William Hale (Robert De Niro) verwickelt seinen Neffen Ernest Burkhart (Leonardo DiCaprio) in einen teuflischen Plan. Bild in Detailansicht öffnen
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Er verheiratet Ernest Burkhart (Leonardo DiCaprio) mit der Osage Mollie (Lily Gladstone). Bild in Detailansicht öffnen
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Unter den Angehörigen des Osage-Stammes kommt es plötzlich zu immer mehr Todesfällen, die irgendwie im Zusammenhang mit den begehrten Ölbohrrechten zu stehen scheinen. Bild in Detailansicht öffnen
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Martin Scorceses Film basiert auf dem gleichnamigen, akribisch recherchierten Tatsachenkrimi von David Grann. (Lily Gladstone und Martin Scorcese) Bild in Detailansicht öffnen

Weiße Gier nach schwarzem Gold unter roter Erde

In „Killers of the Flower Moon" schlüpfen wir in die schmutzigen Schuhe eines von Anfang an Gescheiterten: Ernest Burkhart heißt dieser von Leonardo DiCaprio gespielte, alles andere als liebenswerte Trottel. Als armer Schlucker und Veteran des Ersten Weltkriegs kommt er nach Oklahoma, zu seinem Onkel William, gespielt von Robert de Niro.

William ist hier ein Ölbaron, doch er teilt sich das Land und seinen unermesslichen Reichtum unter der Erde mit den Osage-Indianern. William hat einen teuflisch-hinterhältigen Plan ausgeheckt, in den er seinen Neffen verwickelt: Er will die Töchter der Indianer mit ihm verheiraten und dann eine nach der anderen töten. 

Alte Männer, die den Fortschritt nicht akzeptieren

So entsteht ein abgründiges Puppenspiel, in dem alle manipulieren oder manipuliert werden. Im Scorseses Wildem Westen gibt es keinen Platz für Liebe und Zuneigung. Und es gibt keine Zeit für Schmerz.

Es gibt nur die Zivilisation, die von der Barbarei kaum zu unterscheiden ist, und den Hunger der kleinen Männer, die morden, lügen, erobern. Sie klammern sich an das Recht des Stärkeren, mit aller Macht.

Scorsese hat genug von coolen Gangstern

Das ist anstrengend und Scorsese lässt die Protagonisten dieser Geschichte oft lächerlich erscheinen.  Groteske Menschen mit Cowboyhüten auf dem Kopf und Gewehren in der Hand, die in ihrem Verhalten und ihrer Haltung nicht ernst zu nehmen sind.

Das ist es, was diesen Film aktuell und sehr zeitgemäß macht: Es gibt nichts Mythisches mehr zu erzählen. Scorsese hat genug von coolen Gangstern, charismatischen Figuren und Dialogen.

Amerikanisches Epos aus Blut und Öl

Das Tempo des Films ist manchmal schleppend und zu breit; erst im letzten Drittel mündet alles in ein außergewöhnliches Finale. Scorsese und seine Darsteller erzählen viel durch ihre Körper und Gesichter.

Leonardo DiCaprios Ernest ist von einer Grimasse der Selbstverachtung gezeichnet. Robert De Niro dagegen ist ein Schurke, der wie Mephisto Lust an der eigenen Bosheit empfindet.

Das Ergebnis ist eine tiefgründige Untersuchung des menschlichen Elends, erzählt in einem Epos, das eines großen amerikanischen Romans würdig ist. Seine Seiten sind mit Blut und Öl befleckt.

Trailer „Killers of the Flower Moon“, ab 19.10, im KIno

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