Rund um den Kinostart von „Killers of the Flower Moon“

Martin Scorsese: Fünf Filmtipps abseits der Mafia

Stand
Autor/in
Samira Straub

Mit dem Kinostart von „Killers of the Flower Moon“ verteidigt Martin Scorsese seinen Ruf als unangefochtener Großmeister des Gangsterfilms und als einer der einflussreichsten Regisseure aller Zeiten. Doch Scorseses Filmografie hat weit mehr zu bieten als die Mafia – Fünf Filmtipps für einen facettenreichen Filmeabend.

Martin Scorsese
Bekannt ist er vor allem für seine Mafia- und Ganovenfilme, doch der 80-Jährige überzeugt regelmäßig auch mit anderen Facetten: Regisseur Martin Scorsese.

Mit „Killers of the Flower Moon“ lief am 19. Oktober der neueste Blockbuster des Italoamerikaners Martin Scorsese in den deutschen Kinos an. Wieder einmal stehen düstere Motive wie Macht und Verrat im Fokus der Handlung, wieder einmal spielen Robert De Niro und Leonardo DiCaprio die Hauptrollen.

Wer noch nicht ganz so tief in die Arbeit des Regisseurs vordringen konnte, findet hier fünf eindrucksvolle Scorsese-Filmtipps für einen abwechslungsreichen Fernsehabend. Ganz nebenbei können Sie beim nächsten Smalltalk mit Filmkennern mit Fachwissen auftrumpfen – ganz ohne Scorseses Mafia-Klassiker wie „Goodfellas“ oder „Departed“.

Taxi Driver (1976) – Der „Joker“ seiner Zeit

Gangs of New York (2002) – Die Auseinandersetzung mit der Heimat

Aviator (2004) – Die Liebe zum Detail

Shine a Light (2008) – Die unbekannte musikalische Seite des Regisseurs

Raging Bull (1980) – Ein Biopic, doch nur auf den ersten Blick

Taxi Driver (1976) – Der „Joker“ seiner Zeit

Robert DeNiro in TaxiDriver
Ein Taxifahrer als Paraderolle: Bis heute gilt das eindringliche Method Acting von Robert De Niro in „Taxi Driver“ als Glanzleistung und Gegenentwurf zum damals eher glamourösen Hollywood-Film.

Es ist eine Großstadt-Ballade, die sich zum Alptraum entwickelt. Vietnam-Veteran Travis Bickle, gespielt von Robert De Niro, schlägt sich als Taxifahrer durch New York. Vom Krieg gezeichnet und angewidert von der New Yorker Gesellschaft, radikalisiert er sich und verfällt in einen Wahn: Er alleine will den Big Apple vom menschlichen Abschaum säubern, zur Not mit Gewalt.

Die Charakterstudie, die vom Leben vergessene Außenseiter in den Mittelpunkt rückt, ist gleichermaßen beklemmend wie mitleiderregend. Neben dem ausgemergelten Sonderling Bickle ist es vor allem die 13-jährige Jodie Foster, die in einer Rolle als Kinder-Prostituierte im Gedächtnis bleibt. „Taxi Driver“ ist ein filmischer Grundstein für Scorseses Vorliebe für dunkle Motive und gescheiterte Charaktere.

Robert De Niro in Taxi Driver
Mit Filmen wie „Taxi Driver“ und seiner radikalen Bildsprache machte sich Scorsese in den 1970er-Jahren einen Namen als Erneuerer des Hollywood-Kinos.

Heute erinnert „Taxi Driver“ vor allem an Todd Phillips' „Joker“, in der Joaquin Phoenix ebenfalls als Außenseiter zur Selbstjustiz greift. Die Parallelen zwischen den beiden Charakteren unterstreichen vor allem die Zeitlosigkeit von Scorseses Werk.

Gangs of New York (2002) – Die Auseinandersetzung mit der Heimat

Martin Scorsese an der Seite von Cameron Diaz
Das Drehbuch von „Gangs of New York“ basiert auf einer gleichnamigen kriminalhistorischen Romanvorlage von Herbert Asbury aus dem Jahr 1928.

Ob in „Taxi Driver“ oder im Film-Noir-Musical „New York, New York“: Immer wieder kreisen Scorseses Filme um seine Heimatstadt. Die Auseinandersetzung mit der pulsierenden Großstadt ist einer der großen Topoi im Schaffen des Regisseurs. Häufig unternimmt Scorsese dabei eine Reise in die Vergangenheit.

So auch im starbesetzten und detailverliebten „Gangs of New York“, das die Bandenkriege in den Armutsvierteln im New York der 1840er- bis 1860er-Jahre thematisiert. Es ist die Zeit, in der die Metropole New York gerade erst am Heranreifen ist.

Szenenbild aus "Gangs of New York"
Priest Vallon (Liam Neeson) hat die Macht in den von Elend geplagten Five Points im Süden Manhattans – bis seine Ermordung einen erbitterten Bandenkrieg auslöst. Jahre später sinnt Vallons Sohn nach Rache.

Der Historienfilm ist schon während seiner Produktion von Unruhen überschattet: Immer wieder ist die Rede von Budget-Überschreitungen. Auch die Gewaltdarstellungen im Film sorgen für herbe Kritik. Scorseses künstlerische Freiheit wurde in Frage gestellt, die Eingriffe des Produzenten – ein gewisser Harvey Weinstein – seien zu gravierend gewesen und hätten für Handlungslücken gesorgt.

„Gangs of New York“ ist also nicht unbedingt das Lieblingsdrama der Kritiker, dennoch eines, das einen mit seiner Kraft einnimmt und das im 19. Jahrhundert die Vorgeschichte von Gewalt und Korruption aufbaut, die in Scorseses später angesiedelten Mafia-Filmen reüssiert.

Aviator (2004) – Die Liebe zum Detail

Leonardo DiCaprio in "Aviator"
„Aviator“ hat eine Lauflänge von über zweieinhalb Stunden – für Scorsese fast schon typisch.

Weit weg von organisiertem Verbrechen, Gewalt und dunklen Machenschaften führt „Aviator“. Der Film erzählt die exzentrische Lebensgeschichte des steinreichen Flugpioniers und Regisseurs Howard Hughes.

Der Lebemann Hughes, gespielt von Leonardo DiCaprio, ist geplagt von Zwangsneurosen und einer ausgeprägten Agoraphobie (Platzangst), die sein Leben beeinträchtigt und immer wieder seine Leidenschaft auszubremsen droht.

Der Film überzeugt vor allem mit seiner Detailverliebtheit: Mit liebevoller Hingabe nimmt Scorsese die Zuschauer mit in die 1930er- und 1940er-Jahre. Die Versessenheit auf kleine Finessen bei Dekorationen, Musik und Kostümbild sind ein wesentliches Merkmal von Scorseses Schaffen.

Gwen Stefani in "Aviator"
Immer wieder zeigt sich Howard Hughes mit namhaften Affären an seiner Seite. In einer Nebenrolle auch dabei: Sängerin Gwen Stefani als Schauspielerin Jean Harlow.

Shine a Light (2008) – Die unbekannte musikalische Seite des Regisseurs

Zwischen den gefeierten Blockbustern geht häufig unter, das Martin Scorsese auch im Bereich der Dokumentation Repertoire aufweist. Vor allem das Themengebiet Musik lässt Scorsese nicht los.

Martin Scorsese und die Rolling Stones
Scorsese ist nicht nur Fan der Rolling Stones, er durfte sie auch porträtieren.

Woodstock, Beatle George Harrison oder Literatur-Nobelpreisträger Bob Dylan: Sie alle dienten Scorsese schon als Stoff für seine musikalischen Exkursionen. Auch das Musikvideo von Michael Jacksons „Bad“ entstand unter der Regie Scorseses.

2008 begleitete Martin Scorsese im New Yorker Beacon Theatre die Rolling Stones. In einer Mischung aus Dokumentation und Konzertfilm zeigt „Shine a Light“ den Gig im Beacon und streute immer wieder Archivmaterial ein.

Der Film liefert zwar keine neuen Erkenntnisse über die Band und ist als Dokumentation eher nebensächlich, setzte aber als Konzertfilm neue Maßstäbe.

Martin Scorsese beim Dreh von Shine a Light
Den Filmtitel (angelehnt an den gleichnamigen Stones-Song), wählte der bekennende Fan Scorsese bewusst: Er wollte der Rockband in den Kulissen des Beacon Theatres besonderen Glanz verleihen und die Bedeutung ihrer Musik kulturell beleuchten.

Raging Bull – Ein Biopic, doch nur auf den ersten Blick

Raging Bull
In „Raging Bull“ ist es erneut Robert De Niro, dieses Mal einige Pfunde schwerer als noch in „Taxi Driver“, der im Mittelpunkt steht. De Niro war es auch, der Scorsese überhaupt zum Film überredete – der Regisseur war zunächst nämlich alles andere als angetan vom Stoff.

Das Sport-Drama „Raging Bull“, größtenteils in schwarz-weiß gedreht, handelt vom Aufstieg und Fall der italoamerikanischen Box-Legende Jake LaMotta. Basierend auf wahren Begebenheiten wird LaMotta, der von 1949 an für drei Jahre Weltmeister im Mittelgewichtsboxen war, von einem erneut starken und später oscarprämierten Robert De Niro verkörpert.

Doch der Film ist nur auf den ersten Blick ein reines Biopic. Im Vordergrund steht vor allem die Gewalt und die Frage, wie sich ein Menschen ändert, der in seinem Beruf alltäglich mit Gewalt konfrontiert ist. Die inneren Dämonen LaMottas, vor allem seine Paranoia und der Jähzorn, überschatten sein Leben und den Film.

Ein roher und emotionaler Film, bei dem mehr zurück bleibt, als nur die Vita eines Sportlers.

Raging Bull mit Robert DeNiro
Joe Pesci spielte in „Raging Bull“ erstmals in einem Scorsese-Film – er sollte zu einem der Lieblingsschauspieler des Regisseurs werden und vor allem in „GoodFellas“ bleibenden Eindruck hinterlassen.

Das Oscar-Regal von Scorsese ist einsam bestückt

Es mag verwundern, doch bis heute ist das Mafia-Drama „Departed – Unter Feinden“ der einzige Film, der Martin Scorsese den Regie-Oscar einbrachte. Nominiert war er bislang neun Mal, doch mit „Killers of the Flower Moon“ bietet sich vielleicht schon bald die Chance auf eine weitere Goldtrophäe für den New Yorker Regisseur.

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Samira Straub