RomCom aus dem Iran

„Ein kleines Stück vom Kuchen“: Über die Suche nach Liebe im Alter

Stand
Autor/in
Julia Haungs

Die 70-jährige Mahin (Lili Farhadpour) lebt seit dem Tod ihres Mannes und der Ausreise ihrer Tochter nach Europa allein in Teheran. Ein geselliger Nachmittagstee mit Freundinnen lässt in Mahin den Wunsch reifen, ihr Liebesleben wieder zu aktivieren. Die iranische Tragikomödie kommt unbeschwert daher, enthält aber jede Menge gesellschaftspolitische Kritik. Für das Drehbuch- und Regieduo Maryam Moghadam und Behtash Sanaeeha könnte das gefährlich werden.

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Die Sehnsucht nach Liebe im Alter

Mahin sehnt sich nach Leben, Liebe und Leidenschaft. Doch mit 70 Jahren erscheint all das für sie in unerreichbarer Ferne. Die meiste Zeit verbringt die Witwe alleine in ihrem kleinen Haus in Teheran.

Romantisch wird es allenfalls, wenn ihre Lieblings-Telenovela läuft. Gesellig nur, wenn dann und wann ihre Freundinnen zu Besuch kommen.

Filmstill
Auf der Suche nach einem neuen Partner, öffnet Mahin (Lili Farhadpour) spontan ihr Herz für den gleichaltrigen Taxifahrer Faramarz (Esmail Mehrabi). Aus der zufälligen Begegnung wird eine ebenso überraschende wie unvergessliche Nacht.

Gegen alle gesellschaftlichen Regeln

Mahin nimmt also all ihren Mut zusammen und macht sich auf die Suche nach einem Mann. In einem Restaurant für Rentner identifiziert sie den Taxifahrer Faramarz als passenden Kandidaten. Sie lässt sich von ihm nach Hause fahren und lädt den Gleichaltrigen gegen alle gesellschaftlichen Regeln zu sich ein.

An diesem unwirklichen Abend erscheint plötzlich alles möglich: die große Leidenschaft ebenso wie eine vertrauensvolle Liebesbeziehung und ein gemeinsamer Lebensabend. 

Alltagsleben in Iran lebensnah dargestellt

Das Regieduo Maryam Moghadam und Behtash Sanaeeha erzählt von dieser lebensverändernden Begegnung mit Herzenswärme, Leichtigkeit und verschmitztem Humor.

Vordergründig mag „Ein kleines Stück vom Kuchen“ unpolitisch wirken – schließlich geht es um das private Glück zweier Menschen. Doch auf den zweiten Blick ist diese romantische Tragikomödie ebenso brisant wie die Filme der bekannten Systemkritiker Jafar Panahi oder Mohammad Rasoulof. Denn sie zeigt den Alltag von Frauen in Iran deutlich lebensnäher als es das Regime erlaubt.

Filmstill
„Ein kleines Stück vom Kuchen“ mit Lili Farhadpour (Mahin) und Esmail Mehrabi (Faramarz) ist bereits die dritte gemeinsame Arbeit des erfolgreichen iranischen Regie-Duos Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha. Der Film erlebte seine Welturaufführung im Wettbewerb der diesjährigen Berlinale. Den Filmemachern wurde die Anreise zur Premeire verweigert.

Der heutige Iran ist ein Gefängnis für Frauen

So ist es der erste iranische Film seit 1979, der eine Frau zu Hause ohne Hijab zeigt. Man erfährt etwas über die ständige Sorge vor Denunziationen durch Nachbarn und erlebt die Sittenpolizei bei einem Einsatz. Beherzt rettet Mahin eine Jugendliche, deren Haar nicht ganz bedeckt ist, davor, mitgenommen zu werden. Die iranische Gesellschaft gleicht einem Gefängnis für Frauen.

Das ist in diesem Film die ganze Zeit präsent, ohne dass das Politische jedoch die universelle Botschaft des Films überlagert. Denn Liebe im Alter, das ist auch unter weniger restriktiven Bedingungen kein leichtes Thema. Und eines, das nur selten im Film verhandelt wird.

Die unverkrampfte Art, mit der die beiden Hauptdarsteller Lili Farhadpour und Esmail Mehrabi mit ihrem Begehren umgehen, macht diese romantische Komödie besonders.

Regie-Duo wurde mit dem Entzug der Pässe bestraft

Man würde es dem Paar so sehr gönnen, dass es ein richtig großes Stück vom Glückskuchen abbekommt.

Glück wird auch das Regieduo Maryam Moghadam und Behtash Sanaeeha brauchen. Für ihren kritischen Film wurden den beiden die Pässe entzogen. Seit Monaten warten sie auf ihren Prozess: Das Urteil könnte Reise- und Berufsverbot bedeuten oder auch Gefängnis.

Trailer „Ein kleines Stück vom Kuchen“, ab 11.7. im Kino

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