Sozial-Satire auf der Bühne

Erben dank Eierstock-Lotterie: Pfalztheater Kaiserslautern inszeniert „Jeeps“

Stand
Autor/in
Maja Hattesen
Onlinefassung
Dominic Konrad

Wie kann man soziale Ungerechtigkeiten abbauen und das Vermögen fairer verteilen? Das Pfalztheater Kaiserslautern inszeniert die bitterböse Satire „Jeeps“ von Nora Abdel-Maksoud. In dem Stück dreht sich alles um das Thema Erbschaft. Und weil es reiner Zufall ist, ob man reich oder arm geboren wird, wird auf der Bühne eine „Eierstock-Lotterie“ veranstaltet.

Die Eierstock-Lotterie lässt einen Immobilien erben oder Geld oder nichts

Die „Eierstock-Lotterie“ ist auf der Bühne als große leuchtende Lostrommel immer präsent.  Doch das Stück „Jeeps“ stellt die in Deutschland herrschende „Eierstock-Lotterie“ auf den Kopf: Die Kinder erben hier nicht mehr von den Eltern, sondern bei einer vom Jobcenter streng verwalteten Lotterie, bei der man durchaus auch eine Niete ziehen könnte und Schulden erben.

Jeeps - Pfalztheater Kaiserslautern
Regisseur Gordon Kämmerer lässt das Gedankenexperiment in einem bühnengroßen, drehbaren „A“ (für Arbeitsamt) spielen. Das sieht ein bisschen aus wie das Höllentor in den Bürokratiedschungel.

Klamaukig und bierernst zugleich

Fast alle Ensemblemitglieder haben selbst Erfahrung mit dem Jobcenter gemacht, auch der Regisseur: „In Coronazeiten zum Beispiel blieb einem ja nichts anderes übrig“, erinnert sich Gordon Kämmerer. „Da waren alle Theater zu und man war automatisch drauf angewiesen. So bekommen man natürlich auch mal mit, was für ein Wahnsinn hinter so einem Bürokratieprozess steckt.“

Ein bisschen wahnsinnig wirken alle Figuren in ihren überzeichneten Kostümen – eine Prise Tim Burton und ein Klacks „Alice im Wunderland“. Stellenweise ist das ziemlich klamaukig, dabei ist es doch bitterernst. 

Die Wohnungsschlüssel wurden dem Amt übergeben und ein Nachlassverwalter kümmerte sich um die komplette Erbmasse des Verstorbenen.

Aufstand der Erb-Entrechteten

Im Stück muss die junge Start-Up Gründerin Silke, wie alle, auf den Nachlass ihres Vaters verzichten und fürs Losverfahren aufs Amt. Dort trifft sie auf ihren Gegenspieler Gabor, schön verklemmt und schwitzend verkörpert von Dennis Bodenbinder, der den Amtsschimmel wiehern lässt und die Lostrommel unter sich hat.

Jeeps - Pfalztheater Kaiserslautern
Die Rache der Entrechteten. Maria Schubert als Maude trägt als „armes Schwein“ Schweinsohren.

Und dabei leider auch die Anträge der mittellosen Bürgergeld-Empfänger. So wie den von Maude, die ganz plastisch mit Schweineohren auftritt. Denn für Gabor sind sie alle arme Schweine, die er sich mit viel Desinfektionsmittel vom Leibe hält. Es ist ja nur ein kleiner Schritt nach unten, für den Angestellten aus einfachen Verhältnissen und stolzen Besitzer eines vom Munde abgesparten Jeeps, daher auch der Titel des Stückes. 

Die abgewiesene Bürgergeld-Empfängerin Maude und die zu kurzgekommene Erbin Silke tun sich zusammen – es kommt zum bewaffneten Aufstand der Entrechteten.

Jeeps - Pfalztheater Kaiserslautern
Dennis Bodenbinder spielt den Beamten Garbor und vollzieht die Rache des kleinen Mannes, der sich seinen Jeep jahrelang vom Munde abgespart hat.

Aktuelle Gesellschaftsdebatte auf der Bühne

Schauspielerin Josephine Raschke, die Erbin Silke spielt, hält die zugespitzte Komödie für hochaktuell. Sie freut sich, dass das Erb-Recht im Moment auf vielen deutschen Bühnen zum Thema gemacht wird.

„Letztes Jahr wurden 99,7 Prozent der Erbschaftssteuerlast einfach erlassen“, erklärt Jaschke. „Das ist doch absurd, wenn man überlegt. Wir alle zahlen unsere Steuern und da gibt es einfach so die Möglichkeit, Steuern zu erlassen bei Menschen, die sehr viel Vermögen haben.“

Jeeps - Pfalztheater Kaiserslautern
Das Prinzip der Eierstock-Lotterie: Nur wer erbt, kann es ganz nach oben schaffen.

Das Stück könnte kaum aktueller sein. Mit „Jeeps“ von Nora Abdel-Maksoud bietet das Pfalztheater seinem Publikum ein böses Gedankenexperiment, das die Debatte um soziale Ungerechtigkeit auf die Spitze treiben will.  

Mehr aktuelle Stücke im Südwesten

Mainz

KI im Kabarett Mit Humor gegen digitalen Wahnsinn – Tobias Mann im Mainzer Unterhaus

Der Mainzer Kabarettist Tobias Mann beleuchtet in seinem neuen Programm unseren digitalen Alltag und die Frage, ob und wie wir echte von gefälschten Realitäten unterscheiden können.

SWR Kultur am Mittag SWR Kultur

„Feminist Dating“ in Stuttgart Was Dating mit dem Patriarchat zu tun hat: Das feministische Theaterlabel silent ladies_ zeigts

Das Stück „Feminist Dating“ fragt, wie stark wir immer noch in veralteten Geschlechterrollen verharren, wenn es um Romantik geht.

SWR Kultur am Mittag SWR Kultur

Stuttgart

Ein anstrengender Beruf Mehr Respekt für Müllmänner – LOKSTOFF! macht Theater bei der Stuttgarter Abfallwirtschaft

Die Arbeit der Müllabfuhr fällt den meisten nur auf, wenn sie nicht gemacht ist. Mit einer Performance auf dem Betriebsgelände der Abfallwirtschaft Stuttgart regt die freie Theatergruppe LOKSTOFF! zum Nachdenken über das Thema Müll an und wirbt für Respekt für die schwere Arbeit der Müllmänner.

SWR Kultur am Mittag SWR Kultur

Stand
Autor/in
Maja Hattesen
Onlinefassung
Dominic Konrad