Zeitgenössische Oper

Enorme Leistung: „Lessons in Love and Violence“ – Königsdrama um Edward II. am Theater Ulm

Stand
Autor/in
Bernd Künzig

Das Stadttheater Ulm geht ein Wagnis ein und bringt nicht einen Opernklassiker, sondern zeitgenössische Oper auf die Bühne: George Benjamin „Lessons in Love and Violence“ ist eine freie Adaption von Christopher Marlows blutrünstigem Macht- und Königsdrama „Edward II.“ Die Regie führt Intendant Kay Metzger, Panagiotis Papadopoulos setzt das anspruchsvolle Werk musikalisch mit den hauseigenen Kräften um.

Blutrünstigem Macht- und Königsdrama

Der Plot in aller Kürze: Der König liebt den Günstling Gaveston. Isabel, die Königin ist eifersüchtig und wird zum Werkzeug ihres Geliebten Mortimers, der den König zu Fall und zu Tode bringt. Der Sohn erhält seine Lektionen in Sachen Gewalt und Machtausübung. Am Ende hat er sie gelernt und dreht den Spieß um. Als erjagtes Wild hängt Mortimer schließlich aus dem Rund der Krone und der Thronfolger kündigt so die nächste blutige Unterhaltung an, bevor der Vorhang fällt.

Lessons in Love and Violence am Theater Ulm mit der Statisterie des Theaters Ulm, Joshua Spink, Maria Rosendorfsky
Am Ende reißt der Sohn (Joshua Spink) die Krone an sich.

Und die Texteinblendung in vollkommener Stille auf das schwarze Tuch versichert uns: Niemand vor dem Vorhang ist unschuldig. Ein unschuldiges Zuhören und Zusehen gibt es nicht.

Subtile Musik zum grausamen Geschehen

Autor (über Musik): Dabei ist George Benjamins Musik zu diesem von Martin Crimp geschriebenen Rache- und Machtdrama alles andere als gewalttätig. Sie hat ihre dunklen Seiten. Ihre Attacken. Aber auch ihre subtilen Differenzierungen bis hin zu solistischen Begleitungen bei expliziter Textverständlichkeit.

Lessons in Love and Violence am Theater Ulm mit I-Chiao Shih, Dae-Hee Shin, J. Emanuel Pichler, Maryna Zubko, Martin Gäbler
Intendant Kay Metzger inszeniert das Stück vor allem sondern aus der Musik heraus. -Chiao Shih, Dae-Hee Shin, J. Emanuel Pichler, Maryna Zubko, Martin Gäbler

Inszenierung aus der Musik heraus

Kay Metzger inszeniert nicht allein das Stück, sondern vor allem aus der Musik heraus. Er appelliert an uns, wenn er das Ensemble wie in einer Familienaufstellung an der Rampe positioniert. Die runde Tafel wird zu Tisch und Bett in Szenen der Intimität zwischen König und Königin, zwischen dem launischen Herrscher und seinem Geliebten.

Aber sie ist auch das Podium für ein Theater auf dem Theater. Das alles ist elegant, schön gestaltet von Petra Mollérus, die auch wunderbar zeitlose Kostüme zwischen Renaissance und Gegenwart entworfen hat.

Lessons in Love and Violence am Theater Ulm mit Lessons in Love and Violence am Theater Ulm mit Markus Francke und Maria Rosendorfsky
Die subtile Eleganz dieser perfekten Regie aus dem Geist der Musik wirkt umso beklemmender.

Exquisite Personenführung

Kay Metzgers Personenführung ist exquisit, präzise und mit großer Musikalität. So realisiert er Benjamins katzenhafte Klänge: Denn dieses Theater der Grausamkeit ist eines der ausgefahrenen und rasch wieder eingezogenen Krallen. Blutrünstig ist das nie, braucht es auch nicht zu sein. Die subtile Eleganz dieser perfekten Regie aus dem Geist der Musik wirkt umso beklemmender.

Enorme Leistung des Ulmer Theaters

Es ist eine enorme Leistung, die das Theater Ulm bei diesem anspruchsvollen Werk allein mit den Kräften des Hauses vollbringt. Das Ensemble ist exzellent bis in die kleinsten Nebenrollen. Dae-Hee Shin ein beeindruckender König in seiner Zerrissenheit zwischen Despotismus, bedingungsloser Liebe und Verzweiflung. Als Gaveston und fremder Todbringer ist Martin Gäbler raffiniert. Den lernenden Königssohn gibt Joshua Spink mit einer geradlinigen, am Ende messerscharfen Tenorstimme. Das Format einer Diva bringt die sensationelle Maria Rosendorfsky als Isabel auf die Bühne. Und Markus Francke realisiert als Mortimer einen großartig triumphalen und makellos umgesetzten Fall des Gewaltmenschen.

Lessons in Love and Violence am Theater Ulm mit Markus Francke, Maria Rosendorfsky, Dae-Hee Shin, Martin Gäber
„Lessons in Love and Violence“ am Theater Ulm – Das Ensemble ist exzellent bis in die kleinsten Nebenrollen.

Meisterhafte Umsetzung der vielschichtiger Opernpartitur

Panagiotis Papadopoulos am Pult des Philharmonischen Orchesters ist ein perfekter Koordinator. Da sitzt jeder Einsatz in dieser rhythmisch vertrackten Partitur. Was er an Klangfarben mit schnarrendem Schlagzeug, sirrenden Bläsern und den magischen Akkordschichtungen des Cymbalon, dem Hackbrett hervorzaubert, ist enorm.

Und dann steigert sich das Orchester zu den sprunghaften Attacken, um sich sofort wieder in subtilen Geheimnissen zu verbergen. Eine derartige Umsetzung von Benjamins meisterhaft vielschichtiger Opernpartitur ist keine Selbstverständlichkeit. Das hat der Komponist dem Haus nach der Première freimütig bestätigt.

Eine enorm beindruckende und wichtige Gesamtleistung zeitgenössischen Musiktheaters.          

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