Für Literaturkenner in den USA gilt die Berlinerin Jenny Erpenbeck bereits als künftige Nobelpreisträgerin. Mit dem International Booker Prize hat sie nun eine der wichtigsten Auszeichnungen der angelsächsischen Welt erhalten. Überraschend ist dabei: In Deutschland ist Erpenbeck wohl angesehen, aber bislang weniger ein Star als in der englischsprachigen Welt.
„Interesse an den Monstrositäten der deutschen Geschichte“
SWR Kultur Literaturchef Frank Hertweck erklärt dieses Phänomen mit einem „Interesse an den Monstrositäten der deutschen Geschichte“ – ähnlich sei es zum Beispiel schon dem Schriftsteller W. G. Sebald gegangen, der „als Nachfolger von Günther Grass gehandelt wurde“. Und in Deutschland?
Auch hier, so Hertweck, sei Erpenbeck eine „sehr anerkannte Autorin“. Aber: Sie habe zum Beispiel nicht den wichtigen Georg Büchner Preis erhalten, auch darüber hinaus gäbe es in der deutschen Erpenbeck-Rezeption einige Überraschungen, so gelangte ihr Roman „Aller Tage Abend“ nicht auf die Shortlist für den Deutschen Buchpreis.
Renommierter Literaturpreis für DDR-Roman Für „Kairos“: International Booker Prize 2024 geht an Jenny Erpenbeck
Jenny Erpenbeck gewinnt mit ihrem 2021 erschienen Buch „Kairos“ den wichtigen internationalen Literaturpreis. Im Ausland hat die ostdeutsche Autorin eine große Fangemeinde.
Der Internationale Booker Prize: Ein renommierter Literaturpreis
Frank Hertweck erklärt das damit, dass möglicherweise Erpenbecks kapitalismuskritischer Ton nicht in den damaligen Zeitgeist gepasst habe. Zudem seien ostdeutsche Kritikerinnen und Kritiker im Literaturbetrieb wenig vertreten – was unter Umständen bei der Auswahl eine Rolle spiele.
Den mit 50.000 Pfund ausgezeichneten International Booker Prize erhält Jenny Erpenbeck für den Roman „Kairos“. Darin geht es vor dem Hintergrund der untergehenden DDR um die zerstörerische Liebesgeschichte zwischen einer jungen Studentin und einem verheirateten älteren Mann.
Mehr zu Jenny Erpenbeck
Buchkritik Jenny Erpenbeck – Kairos
Kairos, das ist der Gott des glücklichen Augenblicks. Einen solchen erleben Katharina und Hans 1986 in Ost-Berlin, als sie sich kennenlernen. Die 34 Jahre Altersunterschied scheinen sie nicht zu stören. Sechs Jahre lang kommen sie nicht voneinander los, während sich die DDR im Niedergang befindet. Jenny Erpenbecks „Kairos“ stellt die Erzählung der Wiedervereinigung als historischen Glücksmoment in Frage – dafür muss man beim Lesen viel amourösen Pathos aushalten.
Rezension von Kristine Harthauer.
Penguin Verlag, 384 Seiten, 22 Euro
ISBN 978-3-328-60085-5