Obgleich sie in einem österreichischen Verlag publiziert, wurde Eva-Maria Leuenberger in der Schweiz geboren und lebt heute in Biel, wo das Literaturinstitut seinen Sitz hat (an dem sie aber nicht studiert hat). Die Spinnentiere wecken vielfache Assoziationen, zumeist keine besonders angenehmen, gerade aber bei einer Schweizer Schriftstellerin liegt der Gedanke an eine Verbindung zu Jeremias Gotthelfs 1842 erschienener Novelle „Die schwarze Spinne“ nahe.
Ein Pakt mit dem Teufel wie bei Gotthelf ist es nicht, den Leuenberger in ihrem Langgedicht schmiedet. Doch: „es ist so: / du liegst. / und liegst. / und liegst. // eine spinne webt ihr netz / an der decke über dir; / sie ist groß, und alt, / und vielleicht / beinahe schwarz. // manchmal / schaust du sie an / und denkst: / ich könnte / mich ergeben.“ Die Spinne wird zur Beobachterin und Begleiterin des Ichs, das hier spricht.
Aus dem Raum, in dem das Ich an die Decke starrt, fliegen die Gedanken hinaus und entwerfen ganz allmählich ein Szenario, das etwas Dystopisches hat: Die Welt verdunkelt sich, die Menschen verstummen. Es ist von Explosionen die Rede.
Den Zustand zwischen einer realen Beschreibung der Gegenwart und einer dunklen Vision hält Leuenberger ebenso in der Schwebe wie die Position des Ichs in seinem abgeschlossenen Raum. Ist es mitverantwortlich? Ein Opfer? Oder allein auf dem inneren Rückzug? Kunstvoll ist diese gleichzeitige Außen- wie Innenbeobachtung. Und ein wenig unheimlich auch.