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Miranda July: Auf allen vieren

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Wenn das Wort „Multitalent“ tatsächlich einmal an der richtigen Stelle verwendet wird, dann im Zusammenhang mit der 1974 geborenen Amerikanerin Miranda July. Sie ist Regisseurin, Schauspielerin, Performancekünstlerin, Musikerin und Schriftstellerin. Ihr Debütroman erschien vor neun Jahren unter dem deutschen Titel „Der erste fiese Typ“; nun hat July mit „Auf allen vieren“ ihren lange erwarteten Zweitling veröffentlicht.

Das Buch beginnt beinahe wie ein Krimi:

Ich will Sie ja nicht beunruhigen, aber anscheinend hat jemand mit einem Teleobjektiv durch Ihr Fenster fotografiert. Wenn Sie denjenigen kennen, dann verzeihen Sie das Missverständnis, aber für den Fall, dass nicht, habe ich mir Farbe/Modell/Kennzeichen des Fahrzeugs notiert.

Diese Nachricht ihres Nachbarn findet die Ich-Erzählerin, die sich eigentlich sehr gerne beunruhigen lassen würde, auf ihrem Mobiltelefon. Brian, der Nachbar, wird nur „der FBI-Nachbar“ genannt, weil er das Kürzel seines Arbeitgebers übergroß auf seiner Kleidung spazieren trägt. Die Ich-Erzählerin ist Künstlerin und lebt mit Mann und Kind in Los Angeles.

Doch der Krimi-Auftakt ist eine falsche Fährte; eine von vielen, die July in diesem Buch legt. Denn auch der Roadtrip nach New York, den die Erzählerin sich selbst zu ihrem 45. Geburtstag schenkt, endet schon nach relativ kurzer Zeit in einem Verhältnis mit jenem Mann, der an der Tankstelle ihre Windschutzscheibe säubert. Worum es July hinter alldem geht, ist der Blick auf einen alternden, weiblichen Körper, um althergebrachte Konzepte von Lust und männlichem Blick und um deren Dekonstruktion.

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