Ein Lebenselixier mit Schattenseiten

Ulmer Museum Brot und Kunst setzt sich mit Dünger auseinander: Zauberkraft und Sprengstoff zugleich

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AUTOR/IN
Rainer Schlenz

Ohne Kunstdünger müsste jeder zweite Mensch auf der Erde hungern. Doch es gibt auch Schattenseiten des Erfolgs. Das „Museum Brot und Kunst – Forum Welternährung“ thematisiert nun Dünger als „Zauberkraft und Sprengstoff“ in einer Ausstellung. Gezeigt wird eine wissenschaftliche wie künstlerische Auseinandersetzung mit diesem „Lebenselexier“.

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Zeigefinger gemahnt an Kreislauf des Lebens

Arm aus Erde: Skulptur des Schweizer Künstlers Leopold Rabus
Skulptur des Schweizer Künstlers Leopold Rabus im Ulmer Museum Brot und Kunst

Eine Holzkiste voll mit dunkelbraunem Humus steht im Eingangsbereich der Sonderausstellung. Aus dem Kompost ragt ein leicht behaarter, täuschend echt aussehender Männerarm, der Zeigefinger weist mahnend nach oben. „Es ist dieser Zeigefinger, der sagt: ‚Ja, so müsst ihr das machen mit dem Kompost, mit natürlicher Landwirtschaft. Aber man kann natürlich auch an den Kreislauf von Leben und Tod und neuem Leben denken.“ Sagt die Leiterin des Museums Brot und Kunst, Isabell Greschat.

Geschichte des Düngers mit tödlichen Folgen

Die Skulptur des Schweizer Künstlers Leopold Rabus ist ein Hingucker, ein bisschen morbid – gleichzeitig irritierend lebendig und dynamisch. Im Grunde steht sie für die gesamte Geschichte des Düngers.

Dünger hat Leben ermöglicht, die Begleitumstände indessen waren oft todbringend. Guano etwa regte das Pflanzenwachstum an, führte aber zu Raubbau, Sklaverei und Krieg.

Knochenmehl aus den Toten der Schlachtfelder von Waterloo und Leipzig

Im 19. Jahrhundert wurden erste Kunstdünger entwickelt – unter anderem aus Tierknochenmehl. Bis man auf eine zusätzliche Ressource kam, so Greschat: „In der Erde unter den Schlachtfeldern von Waterloo und Leipzig und anderen lagen zig-tausend tote Soldaten. Und die konnte man ein paar Jahre nach den Schlachten wieder ausgraben und zu Knochenmehl verarbeiten. Und das hat man auch getan.“

Dünger aus Festival-Toiletten

„Superklo“ vom Start-up-Unternehmen Finizio
„Superklo“ vom Start-up-Unternehmen Finizio

Die Ausstellung „Lebenselixier“ ist in einen historischen und einen aktuellen Part aufgeteilt. Zu unserer Gegenwart gehört die Frage: wie kann man Nährstoffe retten? Verbrauchtes recyceln? Das Start-up-Unternehmen Finizio kam auf die frappierende Idee Fäkalien aus Festival-Toiletten zu Dünger aufzuarbeiten – und hat ein Klo entwickelt, das Kot und Urin separat auffängt.

Die Methode spart überdies jede Menge Trinkwasser, das ansonsten den Orkus runtergespült wird. Neben dem Wunderklo stehen ein Modell einer Neu-Ulmer Kläranlage und einige Reagenzgläser, die mit braunen und weißen Pulvern und Kügelchen gefüllt sind. Es geht um Rückgewinnung eines für die Düngung kostbaren Stoffes: Phosphor.

Superdünger Algen

Thomas Feuerstein: „Triffid“
Thomas Feuerstein: „Triffid“

Die Ausstellung zeigt viele solcher nachhaltigen Ansätze von Recycling und grüner Düngung. Und immer wieder werden im Museum diese Ideen auch in Kunstprojekten reflektiert. Die Skulptur „Triffid“ von Thomas Feuerstein besteht aus Glaskolben, die mit grüner Flüssigkeit gefüllt sind. Sie mutet an wie Mixtur aus Stehlampe, technoider Pflanze und Laboraufbau. Die beleuchtete Maschine produziert tatsächlich Algen, die als Superdünger gelten – aber auch zu Überdüngung führen.

Kooperation von Agrarwissenschaftlern und Kunsthistorikern

Die Ausstellung macht ein existenzielles Thema mit hoffnungsvollen, unappetitlichen und zerstörerischen Aspekten auf grandiose Weise anschaulich. Man merkt, dass in diesem Haus Agrarwissenschaftler und Kunsthistoriker zusammenarbeiten.

Landwirtschaft Wie aus Schafswolle Pellets zum Düngen werden

Viele Schäfer*innen auf der Schwäbischen Alb bleiben auf ihrer Schafswolle sitzen, denn sie ist kaum noch gefragt. Selbst die Entsorgung ist schwierig. Aber das muss nicht sein: Zu Pellets gepresst, wird die Wolle zum Dünger.

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