Die britische Künstlerin Sarah Lucas beschäftigt sich seit rund 40 Jahren mit Geschlechterstereotypen und dem weiblichen Körper. Ihre Installationen, Skulpturen und Fotografien sind radikal und provokant, aber auch hintersinnig-humorvoll: Selbstporträts in Macho-Posen, stilisierte Geschlechtsteile, Frauenkörper aus Nylonstrumpfhosen mit vielen Brüsten. Die Kunsthalle Mannheim zeigt, wie vielfältig und aktuell das Werk von Sarah Lucas immer noch ist.
Einen Platz gegen die männliche Konkurrenz erkämpfen
Sarah Lucas hatte es nicht leicht, sich als junge Künstlerin im London der 1990er-Jahre durchzusetzen. Einen Platz zu erkämpfen, gesehen zu werden in der Kunstszene, in der ihre männlichen Kollegen wie Gary Hume und Damien Hirst viel mehr Aufmerksamkeit bekamen. Obwohl Sarah Lucas genauso am renommierten Goldsmith College studiert hatte.
„Viele Dinge, die ich in meiner künstlerischen Arbeit gemacht habe, haben rein praktische Gründe“, sagt Sarah Lucas. So habe sie zum Beispiel viele Selbstporträts nicht aus Eitelkeit gemacht, sondern weil sie einfach kein Geld hatte, um Modells bezahlen.
Humor mit scharfen Kanten gegen Machoposen
Sarah Lucas schlüpfte dabei immer wieder in Rollen, nahm Posen ein – besonders gerne männliche. „Jede Frau kennt das“, sagt sie „wenn ein Mann im Zug neben einem sitzt und sich wie selbstverständlich breit macht“.
Selbstporträt mit offenem Schritt und Spiegeleiern
Und so entstand ihr wohl berühmtestes Werk, eine Foto-Arbeit auf der Sarah Lucas in zerrissenen Jeans und khaki-farbenem T-Shirt in einem Sessel fläzt, breitbeinig – sodass der Blick des Betrachters notwendigerweise genau in ihren Schritt fällt. Doch – wie um allen klarzumachen, dass hier kein Kerl sitzt – hat sich Sarah Lucas zwei Spiegeleier auf die Brüste geklebt. Und schaut trotzig, herausfordernd direkt in die Kamera. Natürlich darf auch diese Arbeit in der Mannheimer Ausstellung nicht fehlen.
Bunnies aus Nylon-Strumpfhosen mit großen Brüsten
Genauso wenig wir ihre Serie mit den Bunnies aus Nylon-Strumpfhosen. Sarah Lucas stopft sie so aus, dass daraus weibliche Körper entstehen, mit langen, dünnen Armen und Beinen und großen Brüsten – aber ohne Köpfe oder Gesichter. Diese Bunnies platziert die Künstlerin auf Stühlen und Sesseln: mal scheinen sie gemütlich darauf zu liegen, mal sitzen sie völlig verrenkt da oder knoten sich um die Möbelstücke herum. In der Mannheimer Kunsthalle posieren sie sogar auf einem gelben Cabrio.
Ideal-Vorstellungen von Weiblichkeit sind nicht besser geworden
Seit fast 40 Jahren beschäftigt sich Sarah Lucas in ihren künstlerischen Arbeiten mit dem weiblichen Körper als Objekt gesellschaftlicher Zuschreibungen und Normen. Ein Thema, dass heute immer noch genauso relevant ist: „In vielen Dingen ist es nicht besser, sondern schlimmer geworden. Ich merke immer wieder, wie tief diese ganzen Zuschreibungen und Ideal-Vorstellungen von Weiblichkeit sitzen. Dieses ständige Bombardement der Bilder, zum Beispiel in der Werbung. Ich bin jetzt 61 und merke, wie es ständig darum geht, nicht alt auszusehen. Ich glaube, in diesem Punkt haben wir kaum Fortschritte gemacht.“
Die Kunsthalle Mannheim zeigt mit ihrer Ausstellung, wie vielfältig das Werk von Sarah Lucas ist und – dass es an Kraft nicht verloren hat!
Mehr Ausstellungen in SWR Kultur
Ausstellung Black Joy: Panafrikanische Malerei im Kunstmuseum Basel
„When We See Us“ im Kunstmuseum Basel will einen umfassenden Überblick über die panafrikanische Malerei der vergangenen 100 Jahre bieten.
Kunst als Provokation „Antimatter Factory“ – Kapitalismuskritische Kunst von Mika Rottenberg im Museum Tinguely
Die Kritik an der kapitalistischen Warenproduktion zieht sich durch das Werk der argentinischen Künstlerin Mika Rottenberg. Das Museum Tinguely in Basel widmet ihr bis Anfang November nun eine der umfassendsten Ausstellungen und gibt so einen Überblick über ihr künstlerisches Schaffen. Zur Ausstellung gehören vor allem Videoinstallationen, aber auch ein großer Brunnen im Park vor dem Museum.