Sie erzählen Liebesgeschichten und schildern die Heiratspolitik des Adels im 17. und 18. Jahrhundert: filigran gemalte Porträts von Ehegatten oder Angebeteten in kleinen Schmuck-Schatullen. Das Kunst Museum Winterthur zeigt, welche Rolle diese intime Bildgattung einst in gehobenen Kreisen spielte.
Liebesbeweis im Amulett
Ein Mann ritzt die Initialen „J und C“ in einen Baumstamm. Er blickt dabei frontal aus dem Bild – sozusagen in die Augen der Betrachterin, für die diese Szene gemalt worden ist: seine Geliebte, Angebetete oder Ehefrau. Sie trägt diesen filigran gemalten Liebesbeweis in einem Amulett bei sich.
Ich warte auf dich!
Genauso inniglich blickt eine Dame, die einen Brief in der Hand hält. Der Schreiber dieser Zeilen soll sich sicher sein: Ich warte auf dich! Dieses hoffnungsvolle Versprechen trägt er in einer kleinen Schatulle bei sich, während er gerade geschäftlich auf Reisen oder im Kriegseinsatz ist.
Liebesbeweise der Upper-Class Europas
Maler, die im ausgehenden 18. Jahrhundert auf diese Liebesbeweise spezialisiert waren, hatten gut zu tun. Sehnsuchtsvoll zum Himmel gerichtete Blicke, Hände aufs Herz gelegt, waren angesagt. Ihre Auftraggeber: die Upper-Class Europas.
Der intime Charakter war dabei entscheidend. Kuratorin Sonja Remensberger zeigt eine Miniatur, die lediglich das Auge eines Mannes zeigt: „Das steigert die Intimität noch mehr. Also nur der Besitzer der Miniatur und der oder die Dargestellte wissen hier, von wem die Rede ist.“
Marie-Antoinette – Als Schäferin verkleidet
Zuweilen verkleidete man sich auch. Beispiel: Aglae de Polignac. Sie lebte auf dem Hof von Versailles, war eine der engsten Vertrauten von der Königin Frankreichs, Marie-Antoinette.
Polignac gab sich auf ihrer Miniatur als Schäferin mit weißer Haube. Sie hatte natürlich keinerlei Vorstellung davon, mit wieviel Arbeit dieser Beruf verbunden war. „Also, der französische Hof war komplett abgeschottet von der Außenwelt, die wussten nicht, wie Normalbürger lebten“, sagt Sonja Remensberger.
Miniaturen auch in der Heiratspolitik gefragt
Und: Es verwundert nicht, dass Miniaturen auch bei der Heiratspolitik der Adels- und Königshäuser gefragt waren. Heinrich VIII. etwa schickte seinen Hofmaler Hans Holbein den Jüngeren los, um in ganz Europa Frauen zu porträtieren.
Nach dem Tod seiner dritten Frau wollte er schnell wieder heiraten. Er wählte schließlich Anna von Kleve aus. Ihr Porträt gefiel ihm am besten. Als er sie dann leibhaftig sah, annullierte er die Ehe sofort wieder.
Porträts von Verstorbenen – und natürlich Erotik
Die Winterthurer Ausstellung erzählt mit den filigran gemalten Porträts viele Liebes-Geschichten. Auch von der Liebe bis in den Tod: mit Miniaturen von Frauen im Schwarzen Witwenschleier und dem auf dem Sterbebett porträtierten Ehemann. Doch was wäre Liebe ohne Erotik. Die fehlt bei dieser intimen Bildgattung natürlich nicht. Entblößte Brüste, gelöste Krawatten, aufgeknüpfte Hemden, jede Menge sexuell aufgeladene Motive.
Ein Pornoheftchen konsumiert man irgendwo im Geheimen. Und so war das da eben auch. Man hat das mit sich rumgetragen und angeschaut. Die Funktion war dieselbe.
Das Kunst Museum Winterthur wirft einen spannenden Blick auf die Liebesminiaturen vergangener Tage und zeigt: Ob gemalt in einer Brosche oder digital im Handy – die Botschaften rund um die Liebe sind im Grunde immer noch dieselben.
„Painted Love“ – Porträtminiaturen als Liebespfand“ – im Kunst Museum Winterthur, Museum Lindengut. Noch zu sehen bis zum 17.11.
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