Die Ausstellung „Schwerer Stoff“ im Donauschwäbischen Zentralmuseum in Ulm zeigt Frauen- und Mädchenkleidung von 1880 bis 1990. Dabei spiegeln die Trachten die Lebenswelt ihrer Trägerinnen wieder – vom Arbeitsgewand über die Brautmode bis zum Totenkleid. Jedes der insgesamt 20 Kleidungsensembles erzählt dabei eine Lebensgeschichte.
Viele bunte Blüten, aufgestickt auf einem goldenen Kunstseidenstoff, genannt „Bauernbrokat“. Dazu sind feine Borten und Spitzen aufgenäht und gold- und silberfarbene Kugeln. Es ist das Festtagskleid der damals 14-jährigen Katharina Just, die einem gleich zu Beginn der Ausstellung ins Auge springt.
Prunk und Sparsamkeit bilden in den 1930er Jahren in Ungarn keinen Widerspruch, gespart wird, wo es niemand sieht. Die Donauschwaben pflegten ihre Kultur: christliche Feste strukturieren das Jahr und werden groß gefeiert, natürlich in Tracht. Die prächtigen, gestärkten Röcke der Frauen waren oft hart wie Bretter, ein Ausdruck Donauschwäbischer Identität und namensgebend für die Ausstellung.
Schwere Stoffe und steife Röcke
Es musste eine Tortur für die jungen Mädchen gewesen sein, erklärt Henrike Hampe, die Kuratorin der Ausstellung. Sich mit den steifen Röcken in die Kirchenbank setzen war unmöglich. Ebenso konnten sie nicht auf die Toilette gehen. Die Frauen haben oft Stunden zuvor nichts mehr getrunken. Die Mädchen bewiesen damit eine gewisse Leidensfähigkeit und Disziplin, Eigenschaften, die in der bäuerlichen Gesellschaft durchaus erwünscht waren.
Gleichzeitig sollte die prachtvolle Festtagskleidung zum Ausdruck bringen, dass man jemand ist im Dorf, eine gute Partie für einen reichen Bauernsohn. Bei der Hochzeit wurde dann aber traditionell „schwarz“ getragen. Das älteste Gewand der Ausstellung ist ein tiefschwarzes Brautkleid mit Samtbesatz aus dem Jahr 1880. Maria Anna Tremml aus einem kleinen Dorf im Banat hat die Tracht bei ihrer Hochzeit getragen.
Kleidung als Politikum
Schwerer Stoff ist ein gelungener Titel für die Ausstellung. Anhand der Gewänder erschließt sich auf eindrückliche Weise die Lebensgeschichte der jungen Frauen – welche Lasten ihnen mit der Kleidung aufgebürdet wurden und welchen Zwängen sie unterworfen waren. Jedes Gewand repräsentierte die Familie, war ein Unikat, in mühevoller Handarbeit angefertigt für die zukünftige Trägerin.
In den 1930er und 40er Jahren wurde die Kleidung dann immer mehr zum Politikum. So genannte „Erneuerer“ führten die Donauschwäbische Einheitstracht in Jugoslawien ein: schwarzer Rock, schwarze Leibchen und eine weiße Bluse. Schlicht und einfach sollte sie sein, die neue Heimattracht.
Festhalten an der Tradition
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde den Donauschwaben die Nähe zu den Nationalsozialisten zum Verhängnis. Sie flüchteten, wurden vertrieben oder verschleppt. Wenn möglich nahmen sie ihre wertvollste Kleidung mit und die jungen Frauen nähten ihre weiten Trachtenröcke in schicke Tanzkleider um. So integrierten sie sich in die neue Heimat. Es waren vor allem die älteren Frauen, die an ihrer Kleidung festhielten und ihre Tradition bewahren wollten.
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