„Gebärdensammler – Schriftfortsetzer – Sätzemacher“

Botho Strauß in drei Akten: Eine Ausstellung in Marbach

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Autor/in
Silke Arning
Moderatorin Silke Arning

Zum 80. Geburtstag von Botho Strauß zeigt das Deutsche Literaturarchiv Marbach Handschriften, Briefe und Manuskripte aus seinem Vorlass. Die neue Ausstellung „Gebärdensammler – Schriftfortsetzer – Sätzemacher“ wirft einen Blick auf den Theaterkritiker und -autor, den Dramaturgen und Schriftsteller, der sich als intensiver und zugleich eigenwilliger Arbeiter erweist.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich die grünen Marbacher Archivboxen als faszinierende Wundertüte entpuppen. Schon vor Jahren hat Botho Strauß seinen Vorlass dem Deutschen Literaturarchiv vermacht und was nun daraus für die Ausstellung zusammengetragen wurde, zeichnet zumindest in einer Hinsicht ein anderes Bild dieses Autors.

Botho Strauß gilt als menschenscheuer Schriftsteller, der sich in die Uckermark zurückgezogen hat. Doch ein Blick auf seine Korrespondenz zeigt: Von wegen Einsiedler, der Theaterautor pflegt enge Kontakte zur Schauspielwelt.

 

Porträt Botho Strauß
Porträt Botho Strauß. Bild in Detailansicht öffnen
Botho Strauß’ Figurenkonstellation zur „Trilogie des Wiedersehens“
Botho Strauß’ Figurenkonstellation zur „Trilogie des Wiedersehens“. Bild in Detailansicht öffnen
Szenenfoto „Trilogie des Wiedersehens“
Szenenfoto „Trilogie des Wiedersehens“. Bild in Detailansicht öffnen
Botho Strauß‘ handschriftliche Vorarbeiten zu „Der junge Mann“
Botho Strauß‘ handschriftliche Vorarbeiten zu „Der junge Mann“. Bild in Detailansicht öffnen
Theaterstück „Groß und klein“ von Botho Strauß
Theaterstück „Groß und klein“ von Botho Strauß, das am 8. Dezember 1978 an der West-Berliner Schaubühne uraufgeführt wurde. Bild in Detailansicht öffnen
Blick in den Austellungsraum
Blick in den Austellungsraum. Bild in Detailansicht öffnen
Leihscheine von 1965
Leihscheine der Universitätsbibliothek München von 1965. Bild in Detailansicht öffnen

Schreiben trifft auf Schauspiel

Vera Hildenbrandt, Leiterin der Museen deutet auf die erste Vitrine dieser Ausstellung: „Hier haben wir einen Brief von Cornelia Froboess und das ist eigentlich ein ganz schönes Zeugnis, weil es auch einmal zeigt, wie das Miteinander von Schreiber und Schauspielerin ist.

Zum anderen ist es aber auch ein Brief, der unmittelbar vor dem 60. Geburtstag von Botho Strauß entstanden ist und Cornelia Froboess war gerade dabei, eine kleine Geburtstagsfeier für Botho Strauß in den Münchner Kammerspielen zu organisieren“.

Geradezu ehrfürchtig erscheint der Brief, in dem Botho Strauß die gemeinsame Arbeit mit Schauspieler Bruno Ganz an der Berliner Schaubühne als „Erfüllung seines Theaterlebens“ bilanziert.

„Der Gebärdensammler“: Der erste Akt der Ausstellung

„Der Gebärdensammler“ ist der erste Akt der Ausstellung
Der erste Akt gilt dem „Der Gebärdensammler“, dem Theaterkritiker, Dramaturgen und Theaterautor.

„Der Gebärdensammler“ ist dieser erste Akt der Ausstellung im Literaturmuseum der Moderne überschrieben. Sie ist dem Theaterkritiker, dem Dramaturgen und Theaterautor Botho Strauß gewidmet.

Der beobachtet mit gerade 23 Jahren bereits das Bühnengeschehen für die Zeitschrift „Theater Heute“, mit 25 unterschreibt er einen Vertrag als Dramaturg an der Schaubühne. Was auch immer er in die Hand nimmt, wird akribisch genau durchdacht, wie zum Beispiel die Skizzen zu seinem Theaterstück „Trilogie des Wiedersehens“ zeigen. 

„Anhand der Notizen auf diesem kleinen Zettel kann man sehr schön sehen, wie Botho Strauß seine Charaktere entwickelt und sich dann schon vorstellt, in welchen Beziehungsgeflechten diese Charaktere zueinanderstehen. Dann skizziert die verschiedenen Akte und Szenen des Stücks, bevor es ans eigentliche Schreiben geht. An dieser Bühnenbildskizze kann man sehen, dass Botho Strauß immer schon in den Raum hineindenkt,“ sagt Vera Hildenbrandt.

„Der Sätzemacher“: Ein Titel, den sich Strauß selbst gab

Der Sätzemacher, ein weiterer Akt der Ausstellung
Botho Strauß „Der Sätzemacher“, dritter Akt der Ausstellung.

Seine Zeichnungen veranschaulichen, wo genau im Raum seine Charaktere stehen sollen. Auch die Bühne wird haarklein von der Glasüberdachung bis zur „Rundbank mit dunklem Lederbezug“ beschrieben. Ebenso akribisch entwickelt der Autor Botho Strauß seine Texte.

„Dem Sätzemacher“ ist ein weiterer Akt dieser Ausstellung gewidmet: Ein Titel, den sich Botho Strauß in seinem neuen Buch „Schattengetuschel“ selbst verpasst hat und nur ein Blick auf die handgeschriebenen Vorarbeiten zu seinem Roman „Der junge Mann“ macht deutlich, was dahintersteckt.

Strauß hat ein eigenes Vorgehen beim Schreiben

Überall nur einzelne Sätze. Kurator Ulrich von Bülow: „Man sieht auf diesen Blättern hier lauter Sätze kreuz und quer. Man könnte nicht mal sagen, wo der Text beginnt, wo er weitergeht und aufhört. Das ist eben das Prinzip.

„Der junge Mann“ - die handschriftlichen Notizen zum Roman lassen die Satzbauweise des Autors erkennen
„Der junge Mann“ - die handschriftlichen Notizen zum Roman lassen die Satzbauweise des Autors erkennen.

Andere Autoren machen erst einmal einen großen Plan und arbeiten Kapitel für Kapitel ab. Bei Botho Strauß ist es anders. Er fängt mit einzelnen Sätzen an und die verschiebt er dann später hin und her und schließlich hat er dann das Ergebnis, das ihm gefällt und so wird der Text dann veröffentlicht.“

„Der Schriftfortsetzer“: Verbundenheit mit der Literaturwelt

Schließlich ist da noch „Der Schriftfortsetzer“: Auch eine Wortkreation des Autors, die seine Verbundenheit mit der Welt der Literatur zum Ausdruck bringen soll. Doch Botho Strauß ist eigen. Man müsse dem Rating zuwider lesen, lautet seine Überzeugung.

„Er hat auch darüber reflektiert, wie Autoren bekannt werden und wie Autoren kanonisch werden, also Schullektüre sind, beispielsweise. Ihm war aufgefallen, dass immer, wenn man einen Autor besonders hervorhebt, viele andere Autoren, die gar nicht so viel schlechter oder gar nicht schlechter sind, die treten in den Hintergrund. Und sein Anspruch ist es nun – ein sehr belesener Mann – einen Gegenkanon oder jeweils einen eigenen Kanon zu entwickeln,“ erzählt Kurator Ulrich von Bülow weiter.

Wie die Ausstellung zeigt, gehören zu diesem Kanon Gottfried Benn, Paul Celan, Ernst Jünger und Heidegger, allerdings ein eher unbekannter Heidegger, der nicht philosophiert, sondern Gedichte schreibt. 

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