Kunst als soziale Praxis zur Verbesserung der Welt - das ist die zentrale Vision des neuen ZKM-Leiters Alistair Hudson. Seine Ausstellung „Fellow Travellers“ zeigt Kunst, die auch positive Lösungen anbietet.
Eine Dschungelstadt aus einem Computerspiel als realer Ort
Im Obergeschoss des ZKM wähnt man sich in einer Stadt im Urwald. Großformatige Fotoarbeiten zeigen riesige Bambuskonstruktionen: Türme und Hängebrücken. Existiert diese Stadt real oder nur digital?
Der chinesische Künstler Zeng Guogu gehört zu der Generation von jungen Chinesen, die sich im post-kommunistischen China in Computerspiele geflüchtet hat. Irgendwann wurde ihm aber klar, dass solche Fluchten nicht nur ihm persönlich schaden, sondern auch viele andere in seiner Generation lähmen und ihrer reichhaltigen Kultur entfremden.
Und so baute er die Dschungelstadt „Liao Garden“ nach dem Vorbild der Schauplätze seiner Lieblings-Computerspiele ganz real in einer gigantischen Anlage in der Nähe seiner Heimatstadt Yangjiang nach. Es entstand ein Ort der Ruhe und Kontemplation, erklärt ZKM-Chef Alistair Hudson:
„Es gibt momentan vielerorts den großen Wunsch, mehr Menschlichkeit in unsere technisierte Welt zu integrieren. Und Zeng Guogu macht das in gewisser Weise, in dem er die digitale Technik mit chinesischer Philosophie, uralten Ritualen und Mythen verbindet.“
Kunst sollte positive Lösungsstrategien anbieten
Kunst als soziale Praxis, das ist die zentrale Vision von Alistair Hudson, dem neuen künstlerischen Leiter des Zentrums für Kunst und Medien in Karlsruhe. In unserer Zeit der multiplen Krisen und ständigen Veränderungen sollte Kunst seiner Meinung nach nicht mehr nur Probleme aufzeigen, sondern auch positive Lösungsstrategien anbieten.
Auch das ZKM selbst, als Institution, geht da neue Wege und präsentiert sie in der Ausstellung. Basierend auf einem Projekt des inzwischen verstorbenen Philosophen und Kurators Bruno Latour entstand am ZKM eine Initiative von Mitarbeitenden, die sich um den Erhalt der bedrohten Streuobstwiesen kümmert und seitdem eine eigene Wiese pflegt.
„Museen sind Experten darin, unser Kulturelles Erbe zu bewahren“, erklärt Projektleiter Stéphane Verlay-Botero. „Im Fall vom ZKM geht es um Medienkunst, inzwischen ist die meistens digital. Wir wollten uns deswegen mit etwas ganz Analogem beschäftigen. Und auch nicht den Menschen in den Mittelpunkt stellen, sondern Pflanzen und Insekten. Das ist auch ein kleiner Beitrag gegen das Artensterben.“
Mit dem Erlös von NFTs kaufen sich Arbeiter im Kongo ihr Land zurück
Die Ausstellung im ZKM zeigt viele Projekte, bei denen auf lokaler Ebene globale Probleme angegangen werden. Oft arbeiten dabei Künstler mit Menschen zusammen, die bisher kaum Berührung mit Kunst hatten.
So wie bei dem inzwischen weltbekannten Projekt CATPC aus der Demokratischen Republik Kongo. Der Künstler Renzo Martens hat in der ehemaligen belgischen Kolonie mit Arbeitern einer alten Palmölplantage traditionelle Holzskulpturen aus Schokolade und als digitale Kunstwerke, sogenannten NFTs nachgefertigt und verkauft. Und mit dem Erlös daraus kaufen sie Stück für Stück ihr Land von den Plantagenbesitzern zurück.
Kunst und Künstler*innen können Veränderungen bewirken
Ende des Jahres sind die Mitarbeitenden von diesem Kunstprojekt ins ZKM eingeladen, um hier zu präsentieren, wie man sich mit Hilfe von künstlerischen Strategien selbstermächtigen kann.
„Ich wollte eine Ausstellung machen, die deutlich macht, was Kunst meiner Meinung nach tun kann“, sagt ZKM-Chef Alistair Hudson. „Ich bin sehr daran interessiert, zu zeigen, dass Kunst Prozesse in Gang setzen kann, um unser alltägliches Leben zu verändern, zu verbessern. Also weg vom traditionellen Repräsentieren, hin zum Handeln. So zeigt diese Ausstellung künstlerische Projekte aus aller Welt, die zeigen, wie Künstlerinnen und Künstler etwas in Bewegung setzen, Veränderungen bewirken.“
Ein gutes Gespür für interessante künstlerische Positionen aus aller Welt
Diese Ausrichtung des ZKM ist zwar keine, die erst der jetzige Leiter, Alistair Hudson, eingeschlagen hat – auch sein Vorgänger Peter Weibel hat bereits große Ausstellung konzipiert über Künstler als Aktivisten und die Verbindung von Kunst und moderner Wissenschaft, die zur Rettung der Welt beiträgt.
Aber Alistair Hudson hat mit dieser Ausstellung gezeigt, dass er ein gutes Gespür für interessante künstlerische Positionen aus aller Welt hat. Wenn jetzt noch die Präsentation der künstlerischen Arbeiten etwas besucherfreundlicher, sprich: auch für interessierte Laien verständlicher wird, dann wird das ZKM sicher weiterhin ein ganz wichtiger Inspirationsort.
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